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Die Weiße Rose
Die Flugblätter der Weißen Rose
Ab Juni 1942 erhalten Tausende von Bürgern süddeutscher
Städte Flugblätter, die zum Widerstand gegen das NS-Regime
aufrufen.
"Flugblätter der Weißen Rose", später
"Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland" und
"Kommilitoninnen! Kommilitonen!" sind das Ergebnis vieler
Diskussionen im engen Kreis und werden schließlich von Alexander
Schmorell, Hans Scholl und Professor Kurt Huber verfasst.
Die sechs Flugblätter sind auf Schreibmaschine geschrieben
(Remington Portable 2) und mit einem Mimeograph vom Typ ROTO-PREZIOSA
vervielfältigt. In der Vernehmungsniederschrift Hans
Scholls heißt es: „Bei dem
Vervielfältigungsapparat den ich bei der Aktion im Januar und
Februar 1943 im Dezember 1942 bei der Fa. Bayerle gekauft habe, handelt
es sich um einen gebrauchten »Roto
Preziosa-Apparat«, Fabr. Nr. 13101. Er kostete 240.- RM. Er
wurde zusammen von Schmorell und mir bezahlt, da mir Schmorell etwa
500.– RM zur Verfügung stellte. Beim Einkauf
desselben befand ich mich in Uniform (Feldwebel) und auf die Frage des
Geschäftsinhabers, zu welchem Zweck ich diesen
benötige, erklärte ich kurz für studentische
Zwecke“ (IfZArch ED 474 /217 0180 Blatt 23, Vernehmung Hans
Scholl).
Die Flugblätter wurden verteilt oder aus verschiedenen
Städten mit der Post versandt. Die Adressen sind
Telefonbüchern oder (beim sechsten Flugblatt)
Studentenverzeichnissen entnommen. Sie sollen informieren, den Glauben
an Hitler erschüttern, ein Bewusstsein des Zweifels wecken,
den Deutschen ihre Schuld vorhalten. Sie rufen zum passiven Widerstand
auf und zur Beseitigung des Nationalsozialismus. In der
Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl heißt es:
„Nach dem Umfang und der
verhältnismäßig großen Zahl von
Flugblättern die fast gleichzeitig an verschiedenen Orten
Süddeutschlands auftauchten, konnte man als Uneingeweihter
zweifellos der Meinung sein, es handle sich um eine
größere Organisation, die diese Propaganda
planmäßig betreibe. Wenn wir die
Flugblätter z.B. in Wien, Salzburg, Linz, Augsburg und
Stuttgart an dort wohnende Adressaten an Ort und Stelle bei der Post
aufgaben, dann geschah dies nicht nur aus Ersparnisgründen,
sondern wir wollten dadurch den Eindruck erwecken, als befände
sich an Ort und Stelle eine Organisation, die sich in ihrer Propaganda
gegen den heutigen Staat wendet. Der Gedanke durch dieses Vorgehen von
München, d.h. den Ort unserer Tätigkeit, abzulenken,
lag uns dabei vollkommen fern.“ (IfZArch ED 474 /217 0182
Blatt 13, Vernehmung Sophie Scholl).
Am 18. Februar 1943 legen Hans und Sophie Scholl das sechste und letzte
Flugblatt in den menschenleeren Gängen der Münchner
Universität aus. Vom zweiten Stockwerk lässt Sophie
Scholl einige Hundert Exemplare in den Lichthof hinunterflattern. Der
Hausschlosser Jakob Schmid beobachtet die Geschwister, hält
sie fest und bringt sie zum Universitäts-Syndikus Dr.
Haeffner. Kurz darauf werden sie von der Gestapo verhaftet.
Durch Helmuth von Moltke gelangt das sechste Flugblatt über
Skandinavien nach England. 5,32 Millionen davon werden von britischen
Flugzeugen im Juli 1943 über Deutschland abgeworfen. Sie sind
überschrieben: „Ein deutsches Flugblatt - Manifest
der Münchner Studenten“.
Flugblatt I
Flugblätter der Weissen Rose.
I
Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger als sich ohne Widerstand von
einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique
"regieren" zu lassen. Ist es nicht so, dass sich jeder ehrliche
Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmass
der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der
Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches
Mass unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten? Wenn das
deutsche Volk schon so in seinem tiefsten Wesen korrumpiert und zerfallen ist,
dass es, ohne eine Hand zu regen, im leichtsinnigen Vertrauen auf eine
fragwürdige Gesetzmässigkeit der Geschichte, das Höchste, das ein
Mensch besitzt und das ihn über jede andere Kreatur erhöht,
nämlich den freien Willen, preisgibt, die Freiheit des Menschen preisgibt,
selbst mit einzugreifen in das Rad der Geschichte und es seiner
vernünftigen Entscheidung unterzuordnen, wenn die Deutschen, so jeder
Individualität bar, schon so sehr zur geistlosen und feigen Masse geworden
sind, dann, ja dann verdienen sie den Untergang.
Goethe spricht von den Deutschen als einem tragischen Volke, gleich dem der
Juden und Griechen, aber heute hat es eher den Anschein, als sei es eine
seichte, willenlose Herde von Mitläufern, denen das Mark aus dem Innersten
gesogen und nun ihres Kerns beraubt, bereit sind, sich in den Untergang
hetzen zu lassen. Es scheint so - aber es ist nicht so; vielmehr hat man in
langsamer, trügerischer, systematischer Vergewaltigung jeden einzelnen in
ein geistiges Gefängnis gesteckt, und erst, als er darin gefesselt lag,
wurde er sich des Verhängnisses bewusst. Wenige nur erkannten das drohende
Verderben, und der Lohn für ihr heroisches Mahnen war der Tod. Über
das Schicksal dieser Menschen wird noch zu reden sein.
Wenn jeder wartet, bis der Andere anfängt, werden die Boten der
rächenden Nemesis unaufhaltsam näher und näher rücken, dann
wird auch das letzte Opfer sinnlos in den Rachen des unersättlichen
Dämons geworfen sein. Daher muss jeder einzelne seiner Verantwortung als
Mitglied der christlichen und abendländischen Kultur bewusst in dieser
letzten Stunde sich wehren, soviel er kann, arbeiten wider die Geissel der
Menschheit, wider den Faschismus und jedes ihm ähnliche System des
absoluten Staates. Leistet passiven Widerstand -
W i d e r s t a n d -, wo immer Ihr
auch seid, verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine, ehe
es zu spät ist, ehe die letzten Städte ein Trümmerhaufen sind,
gleich Köln, und ehe die letzte Jugend des Volkes irgendwo für die
Hybris eines Untermenschen verblutet ist. Vergesst nicht, dass ein jedes Volk
diejenige Regierung verdient, die es erträgt!
Aus Friedrich Schiller, "Die Gesetzgebung des Lykurgus und
Solon":
"... Gegen seinen eigenen Zweck gehalten, ist die Gesetzgebung des
Lykurgus ein Meisterstück der Staats- und Menschenkunde. Er wollte einen
mächtigen, in sich selbst gegründeten, unzerstörbaren Staat;
politische Stärke und Dauerhaftigkeit waren das Ziel, wonach er strebte,
und dieses Ziel hat er so weit erreicht, als unter seinen Umständen
möglich war. Aber hält man den Zweck, welchen Lykurgus sich
vorsetzte, gegen den Zweck der Menschheit, so muss eine tiefe Missbilligung an
die Stelle der Bewunderung treten, die uns der erste flüchtige Blick
abgewonnen hat. Alles darf dem Besten des Staats zum Opfer gebracht werden, nur
dasjenige nicht, dem der Staat selbst nur als ein Mittel dient. Der Staat
selbst ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher
der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann, und dieser Zweck der
Menschheit ist kein anderer, als Ausbildung aller Kräfte des Menschen,
Fortschreitung. Hindert eine Staatsverfassung, dass alle Kräfte, die im
Menschen liegen, sich entwickeln; hindert sie die Fortschreitung des Geistes,
so ist sie verwerflich und schädlich, sie mag übrigens noch so
durchdacht und in ihrer Art noch so vollkommen sein. Ihre Dauerhaftigkeit
selbst gereicht ihr alsdann viel mehr zum Vorwurf als zum Ruhme - sie ist dann
nur ein verlängertes Übel; je länger sie Bestand hat, um so
schädlicher ist sie.
... Auf Unkosten aller sittlichen Gefühle wurde das politische
Verdienst errungen und die Fähigkeit dazu ausgebildet. In Sparta gab es
keine eheliche Liebe, keine Mutterliebe, keine kindliche Liebe, keine
Freundschaft - es gab nichts als Bürger, nichts als bürgerliche
Tugend.
... Ein Staatsgesetz machte den Spartanern die Unmenschlichkeit gegen ihre
Sklaven zur Pflicht; in diesen unglücklichen Schlachtopfern wurde die
Menschheit beschimpft und misshandelt. In dem spartanischen Gesetzbuche selbst
wurde der gefährliche Grundsatz gepredigt, Menschen als Mittel und nicht
als Zwecke zu betrachten - dadurch wurden die Grundfesten des Naturrechts und der
Sittlichkeit gesetzmässig eingerissen.
... Welch schöneres Schauspiel gibt der rauhe Krieger Gaius Marcius in
seinem Lager vor Rom, der Rache und Sieg aufopfert, weil er die Tränen der
Mutter nicht fliessen sehen kann!
... Der Staat (des Lykurgus) könnte nur unter der einzigen Bedingung
fortdauern, wenn der Geist des Volks stillstünde; er könnte sich also
nur dadurch erhalten, dass er den höchsten und einzigen Zweck eines
Staates verfehlte."
Aus Goethes "Des Epimenides Erwachen", zweiter Aufzug, vierter
Auftritt:
Genien:
...
Doch was dem Abgrund kühn entstiegen,
Kann durch ein ehernes Geschick
Den halben Weltkreis übersiegen,
Zum Abgrund muss es doch zurück.
Schon droht ein ungeheures Bangen,
Vergebens wird er widerstehn!
Und alle, die noch an ihm bangen,
Sie müssen mit zu Grunde gehn.
Hoffnung:
Nun begegn' ich meinen Braven,
Die sich in der Nacht versammelt,
Um zu schweigen, nicht zu schlafen,
Und das schöne Wort der Freiheit
Wird gelispelt und gestammelt,
Bis in ungewohnter Neuheit
Wir an unsrer Tempel Stufen
Wieder neu entzückt es rufen:
(Mit Überzeugung, laut:)
Freiheit!
(gemässigter:)
Freiheit!
(von allen Seiten und Enden Echo:)
Freiheit!
Wir bitten Sie, dieses Blatt mit möglichst vielen Durchschlägen
abzuschreiben und weiterzuverteilen!
Flugblatt II
Flugblätter der Weissen Rose.
II
Man kann sich mit dem Nationalsozialismus geistig nicht auseinandersetzen,
weil er ungeistig ist. Es ist falsch, wenn man von einer
nationalsozialistischen Weltanschauung spricht, denn wenn es diese gäbe,
müsste man versuchen, sie mit geistigen Mitteln zu beweisen oder zu
bekämpfen - die Wirklichkeit aber bietet uns ein völlig anderes Bild:
schon in ihrem ersten Keim war diese Bewegung auf den Betrug des Mitmenschen
angewiesen, schon damals war sie im Innersten verfault und konnte sich nur
durch die stete Lüge retten. Schreibt doch Hitler selbst in einer
frühen Auflage "seines" Buches (ein Buch, das in dem
übelsten Deutsch geschrieben worden ist, das ich je gelesen habe; dennoch
ist es von dem Volke der Dichter und Denker zur Bibel erhoben worden):
"Man glaubt nicht, wie man ein Volk betrügen muss, um es zu
regieren." Wenn sich nun am Anfang dieses Krebsgeschwür des deutschen
Volkes noch nicht allzusehr bemerkbar gemacht hatte, so nur deshalb, weil noch
gute Kräfte genug am Werk waren, es zurückzuhalten.
Wie es aber größer und größer wurde und
schließlich mittels einer letzten gemeinen Korruption zur Macht kam, das
Geschwür gleichsam aufbrach und den ganzen Körper besudelte,
versteckte sich die Mehrzahl der früheren Gegner, flüchtete die
deutsche Intelligenz in ein Kellerloch, um dort als Nachtschattengewächs,
dem Licht und der Sonne verborgen, allmählich zu ersticken. Jetzt stehen
wir vor dem Ende. Jetzt kommt es darauf an, sich gegenseitig wiederzufinden,
aufzuklären von Mensch zu Mensch, immer daran zu denken und sich keine
Ruhe zu geben, bis auch der Letzte von der äußersten Notwendigkeit
seines Kämpfens wider dieses System überzeugt ist. Wenn so eine Welle
des Aufruhrs durch das Land geht, wenn "es in der Luft liegt", wenn
viele mitmachen, dann kann in einer letzten, gewaltigen Anstrengung dieses
System abgeschüttelt werden. Ein Ende mit Schrecken ist immer noch besser
als ein Schrecken ohne Ende.
Es ist uns nicht gegeben, ein endgültiges Urteil über den Sinn
unserer Geschichte zu fällen. Aber wenn diese Katastrophe uns zum Heile
dienen soll, so doch nur dadurch: durch das Leid gereinigt zu werden, aus der
tiefsten Nacht heraus das Licht zu ersehnen, sich aufzuraffen und endlich
mitzuhelfen, das Joch abzuschütteln, das die Welt bedrückt.
Nicht über die Judenfrage wollen wir in diesem Blatte schreiben, keine
Verteidigungsrede verfassen - nein, nur als Beispiel wollen wir die Tatsache
kurz anführen, die Tatsache, dass seit der Eroberung Polens
dreihunderttausend Juden in diesem Land auf bestialischste Art ermordet
worden sind. Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der
Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der
ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann. Auch die Juden sind doch
Menschen - man mag sich zur Judenfrage stellen wie man will -, und an Menschen
wurde solches verübt. Vielleicht sagt jemand, die Juden hätten ein
solches Schicksal verdient; diese Behauptung wäre eine ungeheure
Anmaßung; aber angenommen, es sagte jemand dies, wie stellt er sich dann
zu der Tatsache, dass die gesamte polnische adelige Jugend vernichtet worden ist
(gebe Gott, dass sie es noch nicht ist!)?
Auf welche Art, fragen Sie, ist solches geschehen? Alle männlichen
Sprösslinge aus adeligen Geschlechtern zwischen 15 und 20 Jahren
wurden in Konzentrationslager nach Deutschland zur Zwangsarbeit, alle
Mädchen gleichen Alters nach Norwegen in die Bordelle der SS verschleppt!
Wozu wir dies Ihnen alles erzählen, da Sie es schon selber wissen, wenn
nicht diese, so andere gleich schwere Verbrechen des fürchterlichen
Untermenschentums? Weil hier eine Frage berührt wird, die uns alle
zutiefst angeht und allen zu denken geben muss.
Warum verhält sich das deutsche Volk angesichts all dieser
scheußlichsten, menschenunwürdigsten Verbrechen so apathisch? Kaum
irgend jemand macht sich Gedanken darüber. Die Tatsache wird als solche
hingenommen und ad acta gelegt. Und wieder schläft das deutsche Volk in
seinem stumpfen, blöden Schlaf weiter und gibt diesen faschistischen
Verbrechern Mut und Gelegenheit weiterzuwüten -, und diese tun es.
Sollte dies ein Zeichen dafür sein, dass die Deutschen in ihren
primitivsten menschlichen Gefühlen verroht sind, dass keine Saite in
ihnen schrill aufschreit im Angesicht solcher Taten, dass sie in einen
tödlichen Schlaf versunken sind, aus dem es kein Erwachen mehr gibt, nie,
niemals? Es scheint so und ist es bestimmt, wenn der Deutsche nicht endlich aus
dieser Dumpfheit auffährt, wenn er nicht protestiert, wo immer er nur
kann, gegen diese Verbrecherclique, wenn er mit diesen Hunderttausenden von
Opfern nicht mitleidet. Und nicht nur Mitleid muss er empfinden, nein,
noch viel mehr: Mitschuld. Denn er gibt durch sein
apathisches Verhalten diesen dunklen Menschen erst die Möglichkeit, so zu
handeln, er leidet diese "Regierung", die eine so unendliche Schuld
auf sich geladen hat, ja, er ist doch selbst schuld daran, dass sie
überhaupt entstehen konnte!
Ein jeder will sich von einer solchen Mitschuld freisprechen, ein jeder tut
es und schläft dann wieder mit ruhigstem, bestem Gewissen. Aber er kann
sich nicht freisprechen, ein jeder ist schuldig, schuldig,
schuldig! Doch ist es noch nicht zu spät, diese abscheulichste aller
Missgeburten von Regierungen aus der Welt zu schaffen, um nicht noch mehr
Schuld auf sich zu laden. Jetzt, da uns in den letzten Jahren die Augen
vollkommen geöffnet worden sind, da wir wissen, mit wem wir es zu tun
haben, jetzt ist es allerhöchste Zeit, diese braune Horde auszurotten. Bis
zum Ausbruch des Krieges war der größte Teil des deutschen Volkes
geblendet, die Nationalsozialisten zeigten sich nicht in ihrer wahren Gestalt,
doch jetzt, da man sie erkannt hat, muss es die einzige und höchste
Pflicht, ja heiligste Pflicht eines jeden Deutschen sein, diese Bestien zu
vertilgen.
"Der, des Verwaltung unauffällig ist,
des Volk ist froh.
Der, des Verwaltung aufdringlich ist,
des Volk ist gebrochen.
Elend, ach, ist es, worauf Glück sich aufbaut.
Glück, ach, verschleiert nur Elend.
Wo soll das hinaus?
Das Ende ist nicht abzusehen.
Das Geordnete verkehrt sich in Unordnung,
das Gute verkehrt sich in Schlechtes.
Das Volk gerät in Verwirrung.
Ist es nicht so, täglich, seit langem?
Daher ist der Hohe Mensch rechteckig,
aber er stößt nicht an,
er ist kantig, aber verletzt nicht,
er ist aufrecht, aber nicht schroff.
Er ist klar, aber will nicht glänzen."
Lao-tse.
"Wer unternimmt, das Reich zu beherrschen und es nach seiner
Willkür zu gestalten; ich sehe ihn sein Ziel nicht erreichen;
das ist alles."
"Das Reich ist ein lebendiger Organismus; es kann nicht gemacht
werden, wahrlich! Wer daran machen will, verdirbt es, wer sich
seiner bemächtigen will, verliert es."
Daher: "Von den Wesen gehen manche vorauf, andere folgen ihnen,
manche atmen warm, manche kalt, manche sind stark, manche schwach,
manche erlangen Fülle, andere unterliegen."
"Der Hohe Mensch daher lässt ab von Übertriebenheit, lässt ab
von Überhebung, lässt ab von Übergriffen."
Lao-tse.
Wir bitten, diese Schrift mit möglichst vielen Durchschlägen
abzuschreiben und weiterzuverteilen.
Flugblatt III
Flugblätter der Weissen Rose.
III
"Salus publica suprema lex."
Alle idealen Staatsformen sind Utopien. Ein Staat kann nicht rein
theoretisch konstruiert werden, sondern er muss ebenso wachsen, reifen wie
der einzelne Mensch. Aber es ist nicht zu vergessen, dass am Anfang einer
jeden Kultur die Vorform des Staates vorhanden war. Die Familie ist so alt wie
die Menschen selbst, und aus diesem anfänglichen Zusammensein hat sich der
vernunftbegabte Mensch einen Staat geschaffen, dessen Grund die Gerechtigkeit
und dessen höchstes Gesetz das Wohl Aller sein soll. Der Staat soll eine
Analogie der göttlichen Ordnung darstellen, und die höchste aller
Utopien, die civitas Dei, ist das Vorbild, dem er sich letzten Endes
nähern soll.
Wir wollen hier nicht urteilen über die verschiedenen möglichen
Staatsformen, die Demokratie, die konstitutionelle Monarchie, das Königtum
usw. Nur eines will eindeutig und klar herausgehoben werden: jeder einzelne
Mensch hat einen Anspruch auf einen brauchbaren und gerechten Staat, der die
Freiheit des einzelnen als auch das Wohl der Gesamtheit sichert. Denn der
Mensch soll nach Gottes Willen frei und unabhängig im Zusammenleben und
Zusammenwirken der staatlichen Gemeinschaft sein natürliches Ziel, sein
irdisches Glück in Selbständigkeit und Selbsttätigkeit zu
erreichen suchen.
Unser heutiger "Staat" aber ist die Diktatur des Bösen.
"Das wissen wir schon lange", höre ich dich einwenden, "und
wir haben es nicht nötig, dass uns dies hier noch einmal vorgehalten
wird." Aber, frage ich dich, wenn ihr das wisst, warum regt ihr euch
nicht, warum duldet ihr, dass diese Gewalthaber Schritt für Schritt
offen und im Verborgenen eine Domäne eures Rechts nach der anderen rauben,
bis eines Tages nichts, aber auch gar nichts übrigbleiben wird als ein
mechanisiertes Staatsgetriebe, kommandiert von Verbrechern und Säufern?
Ist euer Geist schon so sehr der Vergewaltigung unterlegen, dass ihr
vergesst, dass es nicht nur euer Recht, sondern eure
sittliche Pflicht ist, dieses System zu beseitigen?
Wenn aber ein Mensch nicht mehr die Kraft aufbringt, sein Recht zu fordern,
dann muss er mit absoluter Notwendigkeit untergehen. Wir würden es
verdienen, in alle Welt verstreut zu werden wie der Staub vor dem Winde, wenn
wir uns in dieser zwölften Stunde nicht aufrafften und endlich den Mut
aufbrächten, der uns seither gefehlt hat. Verbergt nicht Eure Feigheit
unter dem Mantel der Klugheit. Denn mit jedem Tag, da ihr noch zögert, da
ihr dieser Ausgeburt der Hölle nicht widersteht, wächst Eure Schuld
gleich einer parabolischen Kurve höher und immer höher.
Viele, vielleicht die meisten Leser dieser Blätter sind sich
darüber nicht klar, wie sie einen Widerstand ausüben sollen. Sie
sehen keine Möglichkeiten. Wir wollen versuchen Ihnen zu zeigen,
dass ein jeder in der Lage ist, etwas beizutragen zum Sturz dieses
Systems. Nicht durch individualistische Gegnerschaft, in der Art verbitterter
Einsiedler, wird es möglich werden, den Boden für einen Sturz dieser
"Regierung" reif zu machen oder gar den Umsturz möglichst bald
herbeizuführen, sondern nur durch die Zusammenarbeit vieler
überzeugter, tatkräftiger Menschen, Menschen, die sich einig sind,
mit welchen Mitteln sie ihr Ziel erreichen können. Wir haben keine reiche
Auswahl an solchen Mitteln, nur ein einziges steht uns zur Verfügung - der
passive Widerstand.
Der Sinn und das Ziel des passiven Widerstandes ist, den Nationalsozialismus
zu Fall zu bringen, und in diesem Kampf ist vor keinem Weg, vor keiner Tat
zurückzuschrecken, mögen sie auf Gebieten liegen, auf welchen sie
auch wollen. An allen Stellen muss der
Nationalsozialismus angegriffen werden, an denen er nur angreifbar ist. Ein Ende
muss diesem Unstaat möglichst bald bereitet werden - ein Sieg des
faschistischen Deutschland in diesem Kriege hätte unabsehbare,
fürchterliche Folgen. Nicht der militärische Sieg über den
Bolschewismus darf die erste Sorge für jeden Deutschen sein, sondern die
Niederlage der Nationalsozialisten. Dies muss unbedingt an erster Stelle
stehen. Die größere Notwendigkeit dieser letzten Forderung werden wir
Ihnen in einem unserer nächsten Blätter beweisen.
Und jetzt muss sich ein jeder entschiedene Gegner des
Nationalsozialismus die Frage vorlegen: Wie kann er gegen den
gegenwärtigen "Staat" am wirksamsten ankämpfen, wie ihm die
empfindlichsten Schläge beibringen? Durch den passiven Widerstand -
zweifellos. Es ist klar, dass wir unmöglich für jeden einzelnen
Richtlinien für sein Verhalten geben können, nur allgemein andeuten
können wir, den Weg zur Verwirklichung muss jeder selber finden.
Sabotage in Rüstungs- und kriegswichtigen
Betrieben, Sabotage in allen Versammlungen, Kundgebungen, Festlichkeiten,
Organisationen, die durch die nationalsozialistische Partei ins Leben gerufen
werden. Verhinderung des reibungslosen Ablaufs der Kriegsmaschine (einer
Maschine, die nur für einen Krieg arbeitet, der
allein um die Rettung und Erhaltung der
nationalsozialistischen Partei und ihrer Diktatur geht).
Sabotage auf allen wissenschaftlichen und
geistigen Gebieten, die für eine Fortführung des gegenwärtigen
Krieges tätig sind - sei es in Universitäten, Hochschulen,
Laboratorien, Forschungsanstalten, technischen Büros.
Sabotage in allen Veranstaltungen kultureller Art,
die das "Ansehen" der Faschisten im Volke heben könnten.
Sabotage in allen Zweigen der bildenden
Künste, die nur im geringsten im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus
stehen und ihm dienen. Sabotage in allem
Schrifttum, allen Zeitungen, die im Solde der "Regierung" stehen,
für ihre Ideen, für die Verbreitung der braunen Lüge
kämpfen. Opfert nicht einen Pfennig bei Straßensammlungen (auch wenn
sie unter dem Deckmantel wohltätiger Zwecke durchgeführt werden). Denn
dies ist nur eine Tarnung.
In Wirklichkeit kommt das Ergebnis weder dem Roten Kreuz noch den
Notleidenden zugute. Die Regierung braucht dies Geld nicht, ist auf diese
Sammlungen finanziell nicht angewiesen - die Druckmaschinen laufen ja
ununterbrochen und stellen jede beliebige Menge Papiergeld her. Das Volk
muss aber dauernd in Spannung gehalten werden, nie darf der Druck der
Kandare nachlassen! Gebt nichts für die Metall-, Spinnstoff- und andere
Sammlungen! Sucht alle Bekannten auch aus den unteren Volksschichten von der
Sinnlosigkeit einer Fortführung, von der Aussichtslosigkeit dieses
Krieges, von der geistigen und wirtschaftlichen Versklavung, von der
Zerstörung aller sittlichen und religiösen Werte durch den
Nationalsozialismus zu überzeugen und zum passiven
Widerstand zu veranlassen!
Aristoteles, "Über die Politik": "... Ferner gehört
es (zum Wesen der Tyrannis) dahin zu streben, dass ja nichts
verborgen bleibe, was irgendein Untertan spricht oder tut, sondern überall
Späher ihn belauschen, ... ferner alle Welt miteinander zu verhetzen und
Freunde mit Freunden zu verfeinden und das Volk mit den Vornehmen und die
Reichen unter sich. Sodann gehört es zu solchen tyrannischen
Maßregeln, die Untertanen arm zu machen, damit die Leibwache besoldet
werden kann, und sie, mit der Sorge um ihren täglichen Erwerb
beschäftigt, keine Zeit und Muße haben, Verschwörungen
anzustiften... Ferner aber auch solche hohe Einkommensteuern, wie die in
Syrakus auferlegten, denn unter Dionysios hatten die Bürger dieses Staates
in fünf Jahren glücklich ihr ganzes Vermögen in Steuern
ausgegeben. Und auch beständig Kriege zu erregen, ist der Tyrann
geneigt..."
Bitte vervielfältigen und weitergeben!!!
Flugblatt IV
Flugblätter der Weissen Rose.
IV
Es ist eine alte Weisheit, die man Kindern immer wieder aufs neue predigt,
dass, wer nicht hören will, fühlen muss. Ein kluges Kind
wird sich aber die Finger nur einmal am heißen Ofen verbrennen.
In den vergangenen Wochen hatte Hitler sowohl in Afrika, als auch in Russland
Erfolge zu verzeichnen. Die Folge davon war, dass der Optimismus auf der
einen, die Bestürzung und der Pessimismus auf der anderen Seite des Volkes
mit einer der deutschen Trägheit unvergleichlichen Schnelligkeit anstieg.
Allenthalben hörte man unter den Gegnern Hitlers, also unter dem besseren
Teil des Volkes, Klagerufe, Worte der Enttäuschung und der Entmutigung,
die nicht selten in dem Ausruf endigten: "Sollte nun Hitler
doch...?"
Indessen ist der deutsche Angriff auf Ägypten zum Stillstand gekommen,
Rommel muss in einer gefährlich exponierten Lage verharren - aber noch
geht der Vormarsch im Osten weiter. Dieser scheinbare Erfolg ist unter den
grauenhaftesten Opfern erkauft worden, so dass er schon nicht mehr als
vorteilhaft bezeichnet werden kann. Wir warnen daher vor
jedem Optimismus.
Wer hat die Toten gezählt, Hitler oder Goebbels - wohl keiner von
beiden. Täglich fallen in Russland Tausende. Es ist die Zeit der
Ernte, und der Schnitter fährt mit vollem Zug in die reife Saat. Die
Trauer kehrt ein in die Hütten der Heimat, und niemand ist da, der die
Tränen der Mütter trocknet. Hitler aber belügt die, deren
teuerstes Gut er geraubt und in den sinnlosen Tod getrieben hat.
Jedes Wort, das aus Hitlers Munde kommt, ist Lüge: Wenn er Frieden
sagt, meint er den Krieg, und wenn er in frevelhaftester Weise den Namen des
Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen
Engel, den Satan. Sein Mund ist der stinkende Rachen der Hölle, und seine
Macht ist im Grunde verworfen. Wohl muss man mit rationalen Mitteln den
Kampf wider den nationalsozialistischen Terrorstaat führen; wer aber heute
noch an der realen Existenz der dämonischen Mächte zweifelt, hat den
metaphysischen Hintergrund dieses Krieges bei weitem nicht begriffen. Hinter
dem Konkreten, hinter dem sinnlich Wahrnehmbaren, hinter allen sachlichen,
logischen Überlegungen steht das Irrationale, d.i. der Kampf wider den
Dämon, wider den Boten des Antichrists.
Überall und zu allen Zeiten haben die Dämonen im Dunkeln gelauert
auf die Stunde, da der Mensch schwach wird, da er seine ihm von Gott auf
Freiheit gegründete Stellung im ordo eigenmächtig verlässt,
da er dem Druck des Bösen nachgibt, sich von den Mächten höherer
Ordnung loslöst und so, nachdem er den ersten Schritt freiwillig getan,
zum zweiten und dritten und immer mehr getrieben wird mit rasend steigender
Geschwindigkeit - überall und zu allen Zeiten der höchsten Not sind
Menschen aufgestanden, Propheten, Heilige, die ihre Freiheit gewahrt hatten,
die auf den Einzigen Gott hinwiesen und mit seiner Hilfe das Volk zur Umkehr
mahnten. Wohl ist der Mensch frei, aber er ist wehrlos wider das Böse ohne
den wahren Gott, er ist wie ein Schiff ohne Ruder, dem Sturme preisgegeben, wie
ein Säugling ohne Mutter, wie eine Wolke, die sich auflöst.
Gibt es, so frage ich Dich, der Du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen
um die Erhaltung Deiner höchsten Güter ein Zögern, ein Spiel mit
Intrigen, ein Hinausschieben der Entscheidung in der Hoffnung, dass ein
anderer die Waffen erhebt, um Dich zu verteidigen? Hat Dir nicht Gott selbst
die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen? Wir
müssen das Böse dort angreifen, wo es am
mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers.
"Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne;
und siehe, da waren Tränen derer, so Unrecht litten und hatten keinen
Tröster; und die ihnen Unrecht taten, waren zu mächtig, dass sie
keinen Tröster haben konnten. Da lobte ich die Toten, die schon gestorben
waren, mehr denn die Lebendigen, die noch das Leben hatten..."
(Sprüche)
Novalis: "Wahrhafte Anarchie ist das Zeugungselement der Religion. Aus
der Vernichtung alles Positiven hebt sie ihr glorreiches Haupt als neue
Weltstifterin empor... Wenn Europa wieder erwachen wollte, wenn ein Staat der
Staaten, eine politische Wissenschaftslehre bevorstände! Sollte etwa die
Hierarchie... das Prinzip des Staatenvereins sein? ... Es wird so lange Blut
über Europa strömen, bis die Nationen ihren fürchterlichen
Wahnsinn gewahr werden, der sie im Kreis herumtreibt, und von heiliger Musik
getroffen und besänftigt zu ehemaligen Altären in bunter Vermischung
treten, Werke des Friedens vornehmen und ein großes Friedensfest auf den
rauchenden Walstätten mit heißen Tränen gefeiert wird. Nur die
Religion kann Europa wieder aufwecken und das Völkerrecht sichern und die
Christenheit mit neuer Herrlichkeit sichtbar auf Erden in ihr friedenstiftendes
Amt installieren."
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Weiße Rose
nicht im Solde einer ausländischen Macht steht. Obgleich wir wissen,
dass die nationalsozialistische Macht militärisch gebrochen werden
muss, suchen wir eine Erneuerung des schwerverwundeten deutschen Geistes
von innen her zu erreichen. Dieser Wiedergeburt muss aber die klare
Erkenntnis aller Schuld, die das deutsche Volk auf sich geladen hat, und ein
rücksichtsloser Kampf gegen Hitler und seine allzuvielen Helfershelfer,
Parteimitglieder, Quislinge usw. vorausgehen. Mit aller Brutalität
muss die Kluft zwischen dem besseren Teil des Volkes und allem, was mit
dem Nationalsozialismus zusammenhängt, aufgerissen werden. Für Hitler
und seine Anhänger gibt es auf dieser Erde keine Strafe, die ihren Taten
gerecht wäre. Aber aus Liebe zu kommenden Generationen muss nach Beendigung
des Krieges ein Exempel statuiert werden, dass niemand auch nur die geringste
Lust je verspüren sollte, Ähnliches aufs neue zu versuchen.
Vergesst auch nicht die kleinen Schurken dieses Systems, merkt Euch die
Namen, auf dass keiner entkomme! Es soll ihnen nicht gelingen, in letzter
Minute noch nach diesen Scheußlichkeiten die Fahne zu wechseln und so zu
tun, als ob nichts gewesen wäre!
Zu Ihrer Beruhigung möchten wir noch
hinzufügen, dass die Adressen der Leser der Weißen Rose
nirgendwo schriftlich niedergelegt sind. Die Adressen sind willkürlich
Adressbüchern entnommen.
Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weiße Rose
lässt Euch keine Ruhe!
Bitte vervielfältigen und weitersenden!
Flugblatt V
Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland.
Aufruf an alle Deutsche!
Der Krieg geht seinem sicheren Ende entgegen. Wie im Jahre 1918 versucht die
deutsche Regierung alle Aufmerksamkeit auf die wachsende U-Bootgefahr zu
lenken, während im Osten die Armeen unaufhörlich
zurückströmen, im Westen die Invasion erwartet wird. Die Rüstung
Amerikas hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, aber heute schon
übertrifft sie alles in der Geschichte seither Dagewesene. Mit
mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund.
Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch
verlängern! Seine und seiner Helfer Schuld hat jedes Maß
unendlich überschritten. Die gerechte Strafe rückt näher und
näher!
Was aber tut das deutsche Volk? Es sieht nicht und es hört nicht.
Blindlings folgt es seinen Verführern ins Verderben. Sieg um jeden Preis,
haben sie auf ihre Fahne geschrieben. Ich kämpfe bis zum letzten Mann,
sagt Hitler - indes ist der Krieg bereits verloren.
Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder dasselbe Schicksal erleiden, das den
Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit dem gleichen Maße gemessen werden
wie Eure Verführer? Sollen wir auf ewig das von aller Welt gehasste
und ausgestoßene Volk sein? Nein! Darum trennt Euch von dem
nationalsozialistischen Untermenschentum! Beweist durch die Tat, dass Ihr
anders denkt! Ein neuer Befreiungskrieg bricht an. Der bessere Teil des Volkes
kämpft auf unserer Seite. Zerreisst den Mantel der Gleichgültigkeit,
den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, eh' es zu
spät ist!
Glaubt nicht der nationalsozialistischen Propaganda, die Euch den
Bolschewistenschreck in die Glieder gejagt hat! Glaubt nicht, dass
Deutschlands Heil mit dem Sieg des Nationalsozialismus auf Gedeih und Verderben
verbunden sei! Ein Verbrechertum kann keinen deutschen Sieg erringen. Trennt
Euch rechtzeitig von allem, was mit dem
Nationalsozialismus zusammenhängt! Nachher wird ein schreckliches, aber
gerechtes Gericht kommen über die, so sich feig und unentschlossen
verborgen hielten.
Was lehrt uns der Ausgang dieses Krieges, der nie ein nationaler war?
Der imperialistische Machtgedanke muss, von welcher Seite er auch
kommen möge, für alle Zeit unschädlich gemacht werden. Ein
einseitiger preußischer Militarismus darf nie mehr zur Macht gelangen.
Nur in großzügiger Zusammenarbeit der europäischen Völker
kann der Boden geschaffen werden, auf welchem ein neuer Aufbau möglich
sein wird. Jede zentralistische Gewalt, wie sie der preußische Staat in
Deutschland und Europa auszuüben versucht hat, muss im Keime erstickt
werden. Das kommende Deutschland kann nur föderalistisch sein. Nur eine
gesunde föderalistische Staatenordnung vermag heute noch das
geschwächte Europa mit neuem Leben zu erfüllen. Die Arbeiterschaft
muss durch einen vernünftigen Sozialismus aus ihrem Zustand
niedrigster Sklaverei befreit werden. Das Truggebilde der autarken Wirtschaft
muss in Europa verschwinden. Jedes Volk, jeder einzelne hat ein Recht auf
die Güter der Welt!
Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen
Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die
Grundlagen des neuen Europa.
Unterstützt die Widerstandsbewegung, verbreitet
die Flugblätter!
Flugblatt VI
Kommilitoninnen! Kommilitonen!
Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von
Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die
geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod
und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir!
Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir weiter einem Dilettanten das
Schicksal unserer Armeen anvertrauen? Wollen wir den niedrigsten Machtinstinkten
einer Parteiclique den Rest unserer deutschen Jugend opfern? Nimmermehr!
Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Abrechnung der deutschen
Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die unser Volk je
erduldet hat. Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern wir vom Staat Adolf
Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen
zurück, um das er uns in der erbärmlichsten Weise betrogen hat.
In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder freien
Meinungsäußerung sind wir aufgewachsen. HJ, SA und SS haben uns in
den fruchtbarsten Bildungsiahren unseres Lebens zu uniformieren, zu
revolutionieren, zu narkotisieren versucht. "Weltanschauliche
Schulung" hieß die verächtliche Methode, das aufkeimende
Selbstdenken und Selbstwerten in einem Nebel leerer Phrasen zu ersticken. Eine
Führerauslese, wie sie teuflischer und zugleich bornierter nicht gedacht
werden kann, zieht ihre künftigen Parteibonzen auf Ordensburgen zu
gottlosen, schamlosen und gewissenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran, zur
blinden, stupiden Führergefolgschaft.
Wir "Arbeiter des Geistes" wären gerade recht, dieser neuen
Herrenschicht den Knüppel zu machen. Frontkämpfer werden von
Studentenführern und Gauleiteraspiranten wie Schulbuben gemaßregelt,
Gauleiter greifen mit geilen Späßen den Studentinnen an die Ehre.
Deutsche Studentinnen haben an der Münchner Hochschule auf die Besudelung
ihrer Ehre eine würdige Antwort gegeben, deutsche Studenten haben sich
für ihre Kameradinnen eingesetzt und standgehalten. Das ist ein Anfang zur
Erkämpfung unserer freien Selbstbestimmung, ohne die geistige Werte nicht
geschaffen werden können. Unser Dank gilt den tapferen Kameradinnen und
Kameraden, die mit leuchtendem Beispiel vorangegangen sind!
Es gibt für uns nur eine Parole: Kampf gegen die Partei! Heraus aus den
Parteigliederungen, in denen man uns politisch weiter mundtot halten will!
Heraus aus den Hörsälen der SS-Unter- oder Oberführer und
Parteikriecher! Es geht uns um wahre Wissenschaft und echte Geistesfreiheit!
Kein Drohmittel kann uns schrecken, auch nicht die Schließung unserer
Hochschulen. Es gilt den Kampf jedes einzelnen von uns um unsere Zukunft,
unsere Freiheit und Ehre in einem seiner sittlichen Verantwortung
bewussten Staatswesen.
Freiheit und Ehre! Zehn lange Jahre haben Hitler und seine Genossen die
beiden herrlichen deutschen Worte bis zum Ekel ausgequetscht, abgedroschen,
verdreht, wie es nur Dilettanten vermögen, die die höchsten Werte
einer Nation vor die Säue werfen. Was ihnen Freiheit und Ehre gilt, das
haben sie in zehn Jahren der Zerstörung aller materiellen und geistigen
Freiheit, aller sittlichen Substanz im deutschen Volk genugsam gezeigt. Auch
dem dümmsten Deutschen hat das furchtbare Blutbad die Augen geöffnet,
das sie im Namen von Freiheit und Ehre der deutschen Nation in ganz Europa
angerichtet haben und täglich neu anrichten. Der deutsche Name bleibt
für immer geschändet, wenn nicht die deutsche Jugend endlich
aufsteht, rächt und sühnt zugleich, ihre Peiniger zerschmettert und
ein neues, geistiges Europa aufrichtet.
Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns
erwartet es, wie 1813 die Brechung des Napoleonischen, so 1943 die Brechung des
nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes.
Beresina und Stalingrad flammen im Osten auf, die Toten von Stalingrad
beschwören uns!
"Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!"
Unser Volk steht im Aufbruch gegen die Verknechtung Europas durch den
Nationalsozialismus, im neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und
Ehre!
Quelle: DKP Karlsruhe
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