26. Juni 2006
Stadt Weinheim
Polizeibehörde
Herrn PHK Schaber
Am Hauptbahnhof 4
69469 Weinheim
Sehr geehrter Herr Schaber,
wir waren sehr betroffen, als wir von dem von Ihnen befohlenen
Polizeieinsatz am 14. Juni im Cafe Central in Weinheim erfahren haben. Nach
unseren Informationen drang die Polizei unter Androhung von Gewalt mit der
Begründung "Gefahr im Verzuge" in eine Informationsveranstaltung
zur Aufklärung über rechtsextreme Strukturen ein, stellte die
Personalien der TeilnehmerInnen fest, erteilte ihnen Aufenthaltsverbote
für die Innenstadt und übergab die Personalien noch am Ort des
Geschehens an den Staatsschutz. Bereits im Vorfeld waren von Ihnen solche
Aufenthaltsverbote ausgesprochen worden.
Das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe empfindet es als
Skandal, dass TeilnehmerInnen einer Informationsveranstaltung über
Rechtsextremismus kriminalisiert werden und erklärt seinen scharfen
Protest gegen solche Einsätze.
Dem vorausgegangen war ein brutaler Naziüberfall während der
Live-Übertragung des WM-Eröffnungsspiel in Weinheim am 9. Juni, bei
dem ein Neofaschist einen Jugendlichen um ein Haar tödlich verletzt
hätte.
Anstatt antifaschistische Jugendliche zu verfolgen und zu kriminalisieren,
ist es nach unserer Auffassung Aufgabe der Polizei dafür zu sorgen, dass
neonazistischen Gewalttaten unterbunden werden. Fast täglich ist in der
Presse von rassistischen motivierten Übergriffen und gewaltsamen Angriffen
von Neonazis auf Mitbürger zu lesen. Mehr als 130 Morde von Neonazis seit
1990 lassen weitere neofaschistische Gewalttaten befürchten.
Leider müssen wir in einem Land, in dessen Verfassung gemäß
Art. 139 jedes Wiederaufleben von faschistischen Tendenzen untersagt ist,
erleben, dass die Polizei AntifaschistInnen statt Neofaschisten verfolgt.
Tatsächliches Ziel der Razzia scheint es gewesen zu sein, die
antifaschistische Szene der Region auszuforschen und einzuschüchtern.
Antifaschistische Jugendliche verfolgen regelmäßig drei zutiefst
demokratische Ziele, nämlich über rechte Strukturen und Ziele
aufzuklären, Zivilcourage gegen Aufmärsche von Neofaschisten zu
zeigen und Widerstand gegen den alltäglichen Rassismus zu leisten.
Von einem demokratischen Staat und seinen Organen erwarten wir, dass er
solche Aktivitäten unterstützt, anstatt diese zu behindern.
Dafür tragen auch Sie persönlich Verantwortung, wie wir alle
Verantwortung dafür tragen, was wir getan oder unterlassen haben, um
neonazistische Gewalt und rassistische Übergriffe zu verhindern und deren
Ursachen zu bekämpfen.
Vor dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes müssen wir uns immer
in Erinnerung rufen, dass unsere eigenen Enkel eines Tages bohrenden Fragen an
uns richten werden, was wir gegen das Wiederaufleben rechter Gewalt, gegen
rassistische Tendenzen und für den Schutz der Demokratie getan haben.
In Erwartung Ihrer Stellungnahme verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
i.A. des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Karlsruhe
Silvia Schulze Elwis Capece