20.7.2006

Presse

Offener Brief
an den Polizeihauptkommissar Schaber
in Weinheim

Skandalöse Polizeiaktion gegen jugendliche TeilnehmerInnen einer Veranstaltung gegen Rechtsextremismus in Weinheim


26. Juni 2006

Stadt Weinheim
Polizeibehörde
Herrn PHK Schaber
Am Hauptbahnhof 4

69469 Weinheim



Sehr geehrter Herr Schaber,

wir waren sehr betroffen, als wir von dem von Ihnen befohlenen Polizeieinsatz am 14. Juni im Cafe Central in Weinheim erfahren haben. Nach unseren Informationen drang die Polizei unter Androhung von Gewalt mit der Begründung "Gefahr im Verzuge" in eine Informationsveranstaltung zur Aufklärung über rechtsextreme Strukturen ein, stellte die Personalien der TeilnehmerInnen fest, erteilte ihnen Aufenthaltsverbote für die Innenstadt und übergab die Personalien noch am Ort des Geschehens an den Staatsschutz. Bereits im Vorfeld waren von Ihnen solche Aufenthaltsverbote ausgesprochen worden.

Das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe empfindet es als Skandal, dass TeilnehmerInnen einer Informationsveranstaltung über Rechtsextremismus kriminalisiert werden und erklärt seinen scharfen Protest gegen solche Einsätze.

Dem vorausgegangen war ein brutaler Naziüberfall während der Live-Übertragung des WM-Eröffnungsspiel in Weinheim am 9. Juni, bei dem ein Neofaschist einen Jugendlichen um ein Haar tödlich verletzt hätte.

Anstatt antifaschistische Jugendliche zu verfolgen und zu kriminalisieren, ist es nach unserer Auffassung Aufgabe der Polizei dafür zu sorgen, dass neonazistischen Gewalttaten unterbunden werden. Fast täglich ist in der Presse von rassistischen motivierten Übergriffen und gewaltsamen Angriffen von Neonazis auf Mitbürger zu lesen. Mehr als 130 Morde von Neonazis seit 1990 lassen weitere neofaschistische Gewalttaten befürchten.

Leider müssen wir in einem Land, in dessen Verfassung gemäß Art. 139 jedes Wiederaufleben von faschistischen Tendenzen untersagt ist, erleben, dass die Polizei AntifaschistInnen statt Neofaschisten verfolgt. Tatsächliches Ziel der Razzia scheint es gewesen zu sein, die antifaschistische Szene der Region auszuforschen und einzuschüchtern.

Antifaschistische Jugendliche verfolgen regelmäßig drei zutiefst demokratische Ziele, nämlich über rechte Strukturen und Ziele aufzuklären, Zivilcourage gegen Aufmärsche von Neofaschisten zu zeigen und Widerstand gegen den alltäglichen Rassismus zu leisten.

Von einem demokratischen Staat und seinen Organen erwarten wir, dass er solche Aktivitäten unterstützt, anstatt diese zu behindern.

Dafür tragen auch Sie persönlich Verantwortung, wie wir alle Verantwortung dafür tragen, was wir getan oder unterlassen haben, um neonazistische Gewalt und rassistische Übergriffe zu verhindern und deren Ursachen zu bekämpfen.

Vor dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes müssen wir uns immer in Erinnerung rufen, dass unsere eigenen Enkel eines Tages bohrenden Fragen an uns richten werden, was wir gegen das Wiederaufleben rechter Gewalt, gegen rassistische Tendenzen und für den Schutz der Demokratie getan haben.

In Erwartung Ihrer Stellungnahme verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

i.A. des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Karlsruhe



Silvia Schulze        Elwis Capece





Leider haben weder PHK Schaber noch seine Polizeibehörde bisher auf den Offenen Brief reagiert.


© Antifaschistisches Aktionsbündnis Karlsruhe