16.4.2006

Presse

Presse-Echo
auf die Karl-Wagner-Veranstaltung

am 6.4.2006 in Ettlingen

Die Veranstaltung über den antifaschistischen Widerstandskämpfer Karl Wagner wurde - ohne auf deren Inhalt einzugehen - in der BNN nach dem bekannten Rechts-Links-Extremisten-Schema abgehandelt.

Dem waren Nazi-Schmiereien am Veranstaltungsort Juz Specht voraus gegangen. Die Veranstaltung selbst sollte von Neonazis gestört werden. Dazu gab es viele Leserbriefe, die von der BNN-Redaktion in einseitiger und z.T. verfälschender Form zusammengefasst worden sind.

Wir dokumentieren hier zwei redaktionelle Artikel, zwei Leserbriefe und einen unveröffenlichten Leserbrief.





BNN Ettlingen, Samstag, 8. April 2006

Platzverweise für Aktivisten aus brauner Szene

Polizei unterband Aufzug von Neonazis / Wer schmierte faschistische Parolen an Jugendzentrum?

Von unserem Redaktionsmitglied Johannes-Christoph Weis


Ettlingen. Wird Ettlingen zu einem Tummelplatz für Gestalten aus der rechtsextremistischen Szene oder schaukeln sich Links- und Rechtsaußen im gegenseitigen Interesse mit Aktionismus hier örtlich hoch? Vor dem Jugendzentrum Specht gab es am Donnerstagabend zwischen 19 Uhr und 20 Uhr einen Aufzug von etwa 40 der neofaschistischen Szene zugerechneten Personen, die auf einem Transparent "Jugendtreff für Deutsche" forderten.

Anlass für den Auftrieb der rechten Szene war vermutlich eine Vortragsveranstaltung im "Specht" des Aktionsbündnisses "Gegen Rassismus und Gewalt", wo es um einen von der linken Szene als Widerstandskämpfer gegen Nazi-Deutschland gefeierten Karl Wagner ging. Letzterer saß in den KZ Dachau und Buchenwald, war KPD- und DKP-Mitglied.

Mit Aktionen von Extremisten der braunen Szene hatte man im Jugendzentrum und bei dem Aktionsbündnis gerechnet, ebenso wie der Verfassungsschutz, weshalb ein Aufgebot an Polizei im Umfeld des "Specht" aufzog.


FASCHISTISCHE PAROLEN wurden ans Jugendzentrum Specht geschmiert. Foto: pi

Die Aktion vom Donnerstag hat eine Vorgeschichte: Im Juli 2005 hatten Neonazis dem Jugendzentrum wegen einer geplanten Veranstaltung der Organisierten Linken eine "Heimsuchung" angedroht. Daraufhin sagte Rüdiger Wirth, Leiter der Einrichtung, die Veranstaltung ab. Als Reaktion auf die Absage demonstrierte die Gruppe Z.O.R.A der "Organisierten Linken Karlsruhe" vorm "Specht" und zog in die Innenstadt. Damals rechnete die Polizei mit einem Aufmarsch einen kleineren Gruppe von Rechtsradikalen. Ein heftiger Platzregen verhinderte allerdings Ende Juli 2005 den Erfolg der linken Demonstranten ebenso wie etwaiger Gegendemonstranten: Die Akteure rollten schnell ihre Transparente wieder ein.

Im März diesen Jahres soll es vor dem Ettlinger Amtsgericht - dort verhandelte ein Richter gegen zwei Akteure der linke Szene wegen mutmaßlicher Sachbeschädigung eines im Umfeld des Jugendzentrums abgestellten Fahrzeuges - Pöbeleien zwischen Vertretern der beiden politischen Gruppierungen gegeben haben. Die Polizei zeigte Präsenz und so trollten sich die Gegner bald auseinander.

Am Donnerstagabend war der Aufmarsch der Rechtsextremisten ein klein bisschen größer. "Es zeigten sich die szenetypischen Leute", meinte gestern Polizeisprecher Anton Gramlich. Die Polizei habe den Aktivisten nach Überprüfung der Personalien "Platzverweise für das gesamte Stadtgebiet Ettlingen" erteilt. Einige Bürger, die das Geschehen im Umfeld des "Specht" verfolgten, zeigten sich über die Parolen der "Nazis entsetzt". Sie brachten dies in Bezug zu Schmierereien, die in der Nacht zuvor, zwischen 21 und 6 Uhr, an das Jugendzentrum geschmiert wurden. "Antideutschen aufs Maul", "Specht abschalten", "Rotfront verrecke" und ähnliches war dort zu lesen. Wer für die Schmierereien verantwortlich ist, steht noch nicht fest. "Wir ermitteln nach allen Seiten", war von der Polizei zu hören. Gleichzeitig bat das Revier Ettlingen, Telefon (0 72 43) 3 20 03 12, Zeugen der Sachbeschädigung sich zu melden.



Leserbrief, unveröffentlicht, Samstag, 8. April 2006

Wissensvermittlung über das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte

Die Fragestellung von Herrn Weis, ob sich "Links- und Rechtsaußen im gegenseitigen Interesse mit Aktionismus hier örtlich hochspielen" ist vollständig aus der Luft gegriffen. Der Bericht über den antifaschistischen Widerstandskampf von Karl Wagner im KZ Dachau dient der Wissensvermittlung über das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte mit dem Ziel, dass sich so etwas nicht wiederholt und alle Demokraten rechtzeitig gegen gefährliche Tendenzen der Gegenwart zusammen stehen.

Wenn sich Herr Weis die Mühe gemacht hätte, die Veranstaltung zu besuchen, hätte er erfahren, dass Karl Wagner mit seinem klugen und energischen Auftreten als Lagerkapo zusammen mit der geheimen internationalen Lagerleitung hunderten von Mithäftlingen - darunter jüdischen Bürgern, polnischen Pfarrern und politischen Häftlingen vieler Nationen - das Leben gerettet hat. Er hätte auch erfahren, dass Karl Wagner dafür mehrfach hart bestraft wurde und an den Spätfolgen der SS-Torturen verstorben ist. Sein ganzes Leben widmete er der Aufklärung der Jugend in dem Sinne, dass Antifaschisten und Demokraten am Arbeitsplatz und in ihrem Wirkungsbereich Verantwortung übernehmen und sich mit Zivilcourage in das Zeitgeschehen einmischen müssen. Das als Linksextremismus und Interesse am Aktionismus zu bezeichnen und auf eine Stufe mit Neonazis zu stellen, ist empörend.

Es bleibt dabei: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Der braune Spuk in Ettlingen muss ein Ende finden. Die Karlsruher und Karlsbader Neonazi-Kameradschaften gehören gemäß Artikel 139 der Verfassung aufgelöst.

Silvia Schulze, VVN-BdA



BNN Ettlingen, Dienstag, 11. April 2006

"Der braune Spuk muss ein Ende finden"

Polizei weist Kritik aus Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis zurück

Etllingen (jcw). "Haben Neonazis, nach einer Gerichtsverhandlung gegen zwei der Sachheschädigung beschuldigte Mitglieder aus der Antifa-Bewegung, Vertreter des Ettlinger Bündnisses gegen Rassismus und Neonazis gehetzt?", wie Grünen-Vertreter Jörg Rupp sagt und: "Gab es einen Aufmarsch von Neofaschisten beim OB-Bürgerempfang vor der Ettlinger Schlossgartenhalle?", wie DGB-Ortsverbandsvorsitzender Wolfgang Weber darstellt?

Nach den Ereignissen um eine Demonstration vor dem Jugendzentrum Specht vom vergangenen Donnerstag kritisieren verschiedene Mitglieder des Ettlinger Bündnisses gegen Rassismus und Neonazis, dass die Polizei den Aufzug von rund 15 Rechtsextremisten in der Goethestraße nicht verhindert hat. Gleichzeitig wird aus dem Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis Wert darauf gelegt, dass sie mit der Veranstaltung vom Donnerstag über Karl Wagner im Specht einen von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bayerischen Landeszentrale für Bildungsarbeit anerkannten Widerstandskämpfer zum Thema da gehabt hätten. "Dass Wagner DKP-Mitglied war, war für unsere Veranstaltung in etwa so wichtig wie das religiöse Bekenntnis von Jürgen Klinsmann für den Ausgang der Fußballweltmeisterschaft", schreibt ein Mitglied des Bündnisses an unsere Zeitung. Und Silvia Schulze, Sprecherin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten in Karlsruhe, schreibt, "der Bericht über den antifaschistischen Widerstandskampf von Karl Wagner im KZ Dachau dient der Wissensvermittlung über das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte mit dem Ziel, dass sich so etwas nicht wiederholt". Außerdem sei Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen. "Der braune Spuk in Ettlingen muss ein Ende finden".

"Es war keine Hetze festzustellen", sagt Bernhard Baron, stellvertretender Ettlinger Revierleiter zur Kritik an der Polizei, sie habe Besucher der Gerichtsverhandlung auf ihrem Heimweg nicht geschützt. Das Gegenteil an diesem besagten Tag im März sei der Fall gewesen: Nachdem vor dem Amtsgerichtsgebäude die Linken und Rechten sich verbal attackiert hätten, hätten die Beamten die beiden Gruppen voneinander getrennt und dafür gesorgt, dass sich die eine in Süd- und die anderen in Nordrichtung wegbewegt hätten. Danach habe die Polizei sogar noch die Aktivisten der braunen Szene begleitet und auch das Umfeld der Stadt observiert, um Gewalttätigkeit zu verhindern. Auch hinsichtlich des Fotografierens der Aktivisten der jeweils anderen Seite oder Besuchern des Gerichtstermins nehme sich keine Seite etwas: Sowohl aus der Gruppe der Antifa-Leute wie auch der Neonazis seien Kameras gezückt worden, um Fotos von vermeintlichen Gegnern zu machen. Dies sei auch der Grund gewesen, dass die Polizei sofort Platzverweis erteilt habe,

Die Vorkommnisse beim Empfang der Oberbürgermeisterin stellten sich für die Polizei wie folgt dar: Am Freitag, 17. März, habe um 19.10 Uhr sich ein Bediensteter der Stadt aus der Schlossgartenhalle gemeldet. Auf dem Dachgarten des Gebäudes stünden fünf Jugendliche, die ein Transparent hochhielten. Sofort sei eine Streife heraus gefahren, um die Jugendlichen zu stellen, Beim Eintreffen der Polizei sei niemand mehr da gewesen. Die Veranstaltung sei nicht gestört worden. Bis heute wisse man nicht, aus welchem Lager die Plakatträger gekommen seien.

Der Vorwurf, dass die Polizei den Aufzug junger Neofaschisten nicht unterbunden habe, wird in Polizeikreisen ebenfalls bestritten. Fakt sei, dass schon lange vor der "Karl-Wagner-Veranstaltung" rund um das Jugendzentrum Neofaschisten observiert worden und ihnen Platzverweis erteilt worden sei.



Leserbrief, BNN Ettlingen, Donnerstag, 13. April 2006

Lassen uns nicht in linke Ecke drängen

In ihrem Bericht heißt es, dass verschiedene Mitglieder unseres Bündnisses die Polizei kritisiert hätten, weil sie den Aufzug von rund 15 Neonazis in der Goethestraße nicht verhindert bzw. unterbunden hätte. Auch soll es von unserer Seite Kritik an der Polizei gegeben haben, sie habe Besucher einer Gerichtsverhandlung nicht geschützt.

Wir weisen dies zurück und stellen klar, dass wir zu keiner Zeit das Verhalten der Ettlinger Polizei kritisiert haben. Wir haben lediglich berichtet, was Zeugen bestätigen können: Es gab nach der besagten Gerichtsverhandlung eine Verfolgung von Prozessbesuchern durch Neonazis durch die Ettlinger Innenstadt. Es gab beim Empfang der OB einen Aufmarsch von Rechtsradikalen vor der Stadthalle. Es gab eine Demonstration von Neonazis anlässlich unserer Veranstaltung im Specht. Diese Darstellung der Fakten als Kritik oder Vorwürfe an der Polizei darstellen zu wollen, scheint uns weit hergeholt. Wir legen Wert darauf zu verdeutlichen, dass von Seiten unseres Bündnisses keinerlei Bedarf besteht, irgendetwas "hochzuschaukeln". Aber es bleibt festzuhalten: Es gibt eine Neonaziszene in Ettlingen und Umgebung. Und es sei auch nochmals klargestellt: Demokraten, die sich dieser Entwicklung aus Sorge um unser demokratisches Gemeinwesen entgegenstellen, als "Linksaußen" in eine bestimmte Ecke drängen zu wollen, ist dem Anliegen der Demokratie nicht nur nicht förderlich, es ist auch Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten.

Dieter Behringer, Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis
Wolfgang Weber, DGB Ettlingen/Malsch/Albtal



Leserbrief, BNN Ettlingen, Donnerstag, 13. April 2006

OB soll etwas gegen Nazi-Spuk tun

Der demokratische Protest richtet sich gegen Neonazis, die sich offensichtlich Ettlingen als regelmäßiges Aufmarschgebiet ausgesucht haben und jede Gelegenheit dazu nutzen, insbesondere Veranstaltungen, in denen an die Verbrechen des Faschismus erinnert und über Neofaschismus aufgeklärt wird. Je länger die Polizei diese Aufmärsche als Folge einer Auseinandersetzung zwischen Rechts- und Linksextremisten erscheinen lasst, umso mehr fühlen sich die Neonazis in ihrem demokratiefeindlichen Treiben bestätigt. Ist die Ettlinger Polizei auf dem rechten Auge sehgestört? Als Beispiel dafür die berichtete Darstellung des gegenseitigen Fotografierens nach dem Gerichtstermin. Fotos haben meines Wissens zuerst Neonazis von Teilnehmern der Gerichtsverhandlung gemacht. Als daraufhin ein Foto von der Neonazi-Gruppe gemacht wurde, kam ein Polizist und forderte die Vernichtung dieses Fotos. Das Angebot, in seinem Beisein alle Fotos beider Seiten zu löschen, beantwortete er, indem er wortlos von dannen zog.

Es ist hohe Zeit, dass sich die OB und der Gemeinderat damit befassen, mit welchen Maßnahmen dem Neonazi-Spuk entgegengewirkt werden kann. Die Verfassung schreibt dafür einen prinzipiellen Weg vor: Die Karlsruher und Karlsbader Neonazi-Kameradschaften sind gemäß Artikel 139 GG aufzulösen.

Silvia Schulze, VVN-BdA


Veröffentlichungen mit freundlicher Erlaubnis der BNN

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