23.8.2010
Infos
Reden zur Kundgebung gegen den Nazi-Aufmarsch in Karlsruhe am 21.08.2010
Die Redebeiträge folgender Personen liegen vor:
Prof. Dr. Heinrich Fink
Vorsitzender VVN-Bund der Antifaschisten
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Verbündete gegen Krieg und
Faschismus!
Es ist durch das Bündnis "Weiße Rose" in Karlsruhe
gelungen, dass heute weder alte noch neue Nazis in Erinnerung an den Hitler
Stellvertreter Heß zu dessen Todestag demonstrieren können. Der
Naziaufmarsch konnte verhindert werden, weil in unermüdlicher Kleinarbeit
die Öffentlichkeit über Presse und Aufklärung wachgerüttelt
wurde:
Wer heute Naziverbrecher wie Heß verherrlicht widerspricht damit
öffentlich dem Rechtsspruch des Internationalen Militärgerichtshofes
in Nürnberg, der 1945 Rudolf Heß als Kriegsverbrecher zu lebenslänglicher Haft
verurteilt hat. Auch nach 65 Jahren hat faschistische Menschenrechtsverletzung
keinen Anspruch auf Toleranz und Verjährung. Wer dieses fordert,
lästert die Opfer des Faschismus. Wer heute Heß verehrt, hat
vergessen, dass 12 Jahre lang die Herrenrassedoktrin und der teuflisch ersonnene
Angriffs- und Vernichtungskrieg nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa der
faschistischen Barbarei preisgegeben hat. Aber schon bevor Adolf Hitler an die
Macht kam, gab es mutige Antifaschisten der ersten Stunde. Sie waren die erste
Antihitlerkoalition. Sie warnten vor Hitler: Wer Hitler wählt, wählt
den Krieg. Viele Deutsche mussten ihren Mut vor, den Nazis zu warnen, schon 1933
mit dem Leben bezahlen, wie z. B. der Kommunist August Dosenbach und der
Sozialdemokrat Ludwig Marum in Karlsruhe. Ihre Opfer dürfen nicht umsonst
sein.
Noch vor der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, als die Alliierten
Thüringen befreit haben, schworen auf dem Appellplatz im KZ Buchenwald
Häftlinge aus 16 Nationen nicht Rache an ihren Peinigern zu üben,
sondern sie legten ausdrücklich für ihre ermordeten Kameraden einen
Schwur ab, in dem es heißt: "Wir stellen den antifaschistischen Kampf
erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau
einer Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren
ermordeten Kameraden schuldig!" - Und wir sind es dem Kampf gegen
Faschismus schuldig,
Jede Demonstration, die heute den Naziterror noch -oder - wieder
verherrlicht, verletzt bewusst die Menschenwürde der Ermordeten und
Überlebenden aus den Konzentrationslagern.
Dass heute eine Nazidemonstration nicht stattfinden darf durch den Willen
des antifaschistischen Bündnisses und des Gemeinderates, ist ein
politischer Erfolg. Es ist noch kein Sieg im Bemühen um das Verbot der NPD,
aber ein Zeichen gegen Gleichgültigkeit in der Politik. Der amerikanisch
jüdische Schriftsteller Elie Wiesel, Friedensnobelpreisträger 1986,
war noch quasi als Kind nach Auschwitz deportiert und 1945 auf den Todesmarsch
nach Buchenwald geschickt worden. Er hat dort als 16jähriger die
Selbstbefreiung des KZ's am 11. April 1945 erlebt, bei der die verbliebenen 21
000 Häftlinge keine Rache an ihren Peinigern und Mördern ihrer
Kameraden übten, das sich vorzustellen ist fast nicht möglich; die
Mörder waren noch da. Sie übergaben sie als ihre Gefangenen den
Alliieren Befreiern zur Verurteilung. 1992 haben wir Elie Wiesel an die
Humboldt-Universität zur Immatrikulation eingeladen. Er hat den Studenten
sein politisches Vermächtnis erklärt. Es ist ein Kampf gegen die
Gleichgültigkeit! Wiesel sagt: "Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht
Verzweiflung, es ist Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist nicht der
Anfang eines Prozesses, es ist das Ende eines Prozesses. Wenn Sie die Wahl haben
zwischen Verzweiflung und Gleichgültigkeit, wählen Sie die
Verzweiflung, nicht die Gleichgültigkeit! Denn aus Verzweiflung kann eine
Botschaft hervorgehen, aber aus der Gleichgültigkeit kann per definitionem
nur Negatives hervorgehen.
Die Hoffnung von Antifaschisten, von Widerstandskämpfern,
Zwangsarbeitern und Partisanen aller seit 1939 überfallenen, okkupierten
Ländern Europas war nicht nur Impuls für die Gründung der UNO,
sondern ist auch unübersehbar im Artikel 1 unseres Grundgesetzes
festgeschrieben. Darum kann und darf uns nicht gleichgültig sein, wenn die
Würde der Opfer des Faschismus, die Würde der Mütter und
Väter des Grundgesetzes von Nazis geschändet wird. Heß zu ehren
ist eine öffentliche Verharmlosung von Faschismus und Krieg.
Wir sind hier versammelt, weil wir helfen wollen, den Schwur von Buchenwald
als Menschenrechtserbe, als kostbares demokratisches Gut zu schützen. Es
darf nicht durch neoliberale Gleichgültigkeit entwürdigend angetastet
werden.
Dieses breite Bündnis von Bürgerinnen und Bürgern in
Karlsruhe aus unterschiedlicher Weltanschauung ist eine Manifestation des
Grundgesetzes gegen seine schon wieder braunen Verächter.
Bert Brecht hat es wohl nicht für möglich gehalten, dass im 3.
Jahrtausend rechte Parteien aus dem faschistischen Schoß kriechen, der
immer noch fruchtbar ist.
Es waren unsere Kameradinnen und Kameraden, wie Esther Bejerano, Peter
Gingold und Kurt Goldstein, Widerstandskämpfer der ersten Stunde, die es
als Hohn auf ihren Kampf gegen den Faschismus empfanden, als die NPD in die
Landtage in Sachsen und Mecklenburg einzogen mit der Überzeugung von
Rassismus, Antisemitismus und der Verteidigung deutsch-nationalistischer
Vergangenheit. Sie fordern Meinungsfreiheit. Wir sagen: Faschismus ist keine
Meinung, sondern ein Verbrechen.
Ich danke allen, die begriffen haben, dass der Widerstand gegen die NPD nur
in einem Bündnis für einen friedlichen, eindringlichen Protest zu
organisieren ist. Und ich wünsche uns allen wachsame, belastbare Geduld
miteinander und die Kraft zur unerbittlichen Überwindung von jeglicher
Gleichgültigkeit gegenüber neofaschistischen Umtrieben.
Zum 65. Jahrestag der Befreiung haben ehemalige Häftlinge des KZ
Sachsenhausen der jungen Generation ein Vermächtnis übergeben mit der
Bitte, in der es heißt: Allen Erscheinungen von Faschismus, Militarismus,
Rassismus und Antisemitismus, jedweder Unterdrückung und Ausgrenzung von
sozialen Gruppen oder Einzelpersonen aufgrund ihrer Weltanschauung, ihrer
politischen Überzeugung, ihres Glaubens und ihrer Herkunft, entschlossen
entgegenzutreten.
Unser Protest heute ist die Antwort auf diese Bitte. Lasst uns weiter
kämpfen für ein Verbot der NPD, für Frieden und soziale
Gerechtigkeit.
Nikolaus Landgraf
DGB-Landesvorsitzender Baden-Württemberg
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Demokraten, Antifaschisten, Schüler und Studierende, friedliebende
Bürgerinnen und Bürger Karlsruhes, heute ist ein Tag, über den
wir uns gemeinsam freuen können, über den sich Karlsruhe und die ganze
Region freuen kann.
Die Stadt und das antifaschistische Aktionsbündnis haben ein Zeichen
gesetzt. Mit dem Verbot des Naziaufmarsches und mit der Organisation von
Widerstand gegen die Nazis. Die Stadt zeigt "Flagge gegen Rechts".
Nazis sind hier nicht willkommen! Und ich füge hinzu: Wir wollen die
Braunen weder in Karlsruhe noch anderswo!
Es ist ein schöner Tag weil sich unser, weil sich euer Einstehen
für Weltoffenheit, Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
durchgesetzt hat gegen dumpfen Fremdenhass, Rassismus, Heßverherrlicher
und Holocaustleugner.
Der für heute geplante Aufmarsch der sogenannten "Freien
Kräfte Karlsruhe" war nur eine schlecht verbrämte Gedenk- und
Jubelfeier des Hitler-Stellvertreters Heß. Die Verherrlichung des
NS-Regimes und seiner Führung ist in Deutschland verboten.
Dies dennoch in Karlsruhe, der Stadt des Rechts mit dem Sitz des
Bundesverfassungsgerichts, zu versuchen, ist eine bewusste Provokation der
Nazis, auf die es nur eine Antwort geben kann: Verbot ihrer Aufmärsche und
breiter öffentlicher Protest der Bürgerschaft.
Aufstehen und uns den Braunen entgegenstellen wo immer sie sich zeigen - das
ist unsere Leitschnur.
Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute dringt kein einziges Wort
dieser Nazis an unser Ohr. Wie hat Peter Ustinov gesagt: "Es gibt nichts
Schöneres für das menschliche Ohr als dem Schweigen eines Dummkopfes
lauschen zu dürfen."
Ich möchte mich bei euch allen, bei allen Organisatoren, dem AAKA, der
VVN, den DGB-Gewerkschaften, Verbänden, Religionsgemeinschaften, Parteien,
Schülern, Studierenden und Einzelpersonen bedanken, die dies erst
ermöglicht haben.
Danke an die Stadt Karlsruhe, an den Oberbürgermeister, den Gemeinderat
und an das Ordnungsamt für Ihre Standhaftigkeit, die Nazi-Demonstration
nicht zu genehmigen.
Heute, aber auch schon in den vergangen Jahren, habt ihr bewiesen, dass ihr
Courage habt. Seit September 2003 habt ihr gemeinsam alle Nazi-Auftritte in
Karlsruhe verhindert. Das ist euer Verdienst. Das ist großartig!
Wir alle stehen heute hier für ein tolerantes und demokratisches
Karlsruhe, eine Stadt der Vielfalt, der Offenheit und der Liberalität -
eine Stadt und eine Region, in der Antisemitismus, Fremdenhass und Rassismus
keine Chance haben.
Natürlich weiß ich, dass solche Veranstaltungen wie heute immer
auch Öffentlichkeit für die Rechte schaffen.
Natürlich weiß ich, dass Aufmärsche der Nazis zu ihrer
Strategie gehören, um unter dem Deckmantel der angeblichen Verteidigung der
Meinungsfreiheit Aufmerksamkeit in der nationalen und internationalen
Öffentlichkeit zu erlangen und um ihre Mannen im Kampf gegen die in ihren
Augen verhasste Linke zusammenzuschmieden.
Aber gerade deshalb müssen wir zeigen: Die Straße gehört
nicht den Rechten. Sie gehört der demokratischen Öffentlichkeit!
Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung will dieses Gesindel
nicht haben; weder in Karlsruhe noch in einer anderen Stadt.
Ignorieren, Wegsehen, Totschweigen ist aber keine Alternative. Gefragt sind
Bürgersinn und Widerstand - wo immer die Nazis sich breit machen
wollen.
Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen, wieweit mit dem Versammlungsrecht
Nazi- Aufmärsche verhindert werden können. Oft genehmigen Gerichte
zuletzt doch noch die Aufmärsche.
Deshalb sage ich: Wir brauchen klare Regeln, damit das Versammlungsverbot
vieler Stadtverwaltungen auch vor den Gerichten bestand hat.
Deshalb fordere ich gerade hier in Karlsruhe einen erneuten Verbotsantrag
gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht. Und das muss auch die so genannten
"Kameradschaften" treffen.
Der heutige Tag darf uns nicht blenden, Es gibt sie - die Nazis und ihre
Kameradschaften - hier in der Region - aber auch in Mannheim, Ludwigshafen und
andernorts.
Es wird Zeit, dass sie nicht mehr öffentlich gegen Andersdenkende,
gegen Ausländer, gegen Gewerkschafter, hetzen und das Klima vergiften
können.
Es wird Zeit, dass ihre Infrastruktur zerschlagen wird, damit
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus kein öffentliches
Sprachrohr mehr haben.
Es wird Zeit, dass sie nicht mehr mit Steuergeldern aus der
Wahlkampfkostenerstattung gepäppelt werden. Es wird Zeit, dass sie nicht
mehr die Privilegien des Parteiengesetzes genießen. Klar muss aber auch
sein: Mit einem Verbot - so richtig und notwendig es ist - ist es nicht
getan.
Weder die Aufrüstung des Staatsapparats noch politische Bildung und
Jugendarbeit allein werden Entscheidendes bewirken, wenn wir uns nicht
stärker mit den Ursachen des Rechtsextremismus beschäftigen.
Warum denken, handeln und wählen Menschen rechts? Welche Rolle spielen
Ellbogengesellschaft und Konkurrenz? Welche Rolle spielt eine neoliberale
Politik, die die Grundlagen für Solidarität und Mitmenschlichkeit
immer mehr auszuhöhlen droht? Welche Rolle spielt so mancher Politiker, der
versucht, aus Ängsten politisches Kapital schlagen zu können und sich
damit als Stichwortgeber der Rechtsextremen betätigt?
Die Rechte versucht, die soziale Frage für sich zu reklamieren. Sie
versucht soziale Probleme nationalistisch umzudeuten. Das müssen wir
verhindern.
Für uns gilt immer noch: Deutsche und Ausländer gemeinsam gegen
Arbeitslosigkeit, Arbeitgeberwillkür und Ausbeutung!
Wenn es gegen Rechts geht, gegen Rassismus und Gewalt, brauchen wir eine
breite gesellschaftliche Bewegung. Ihr hier in Karlsruhe habt dieses breite
gesellschaftliche Bündnis seit langem. Ich wünsche euch weiter viel
Erfolg im Kampf gegen Rechts! Macht weiter so - für eine weltoffene,
demokratische und tolerante Gesellschaft - ohne Nazis.
Das sind wir auch allen Verfolgten und Opfern der Nationalsozialisten
schuldig. Deshalb: Kein Fußbreit für Nazis - weder in dieser Stadt,
noch in dieser Region, noch in unserem Land. Nie wieder!
MdL Dr. Gisela Splett
Bündnis 90/Die Grünen
Liebe Demokratinnen und Demokraten,
ich freue mich, dass wir so Viele sind. Der am 30. Juli für heute
angemeldete Nazi-Aufmarsch wurde am 16. August von der Stadt verboten. Und das
ist gut so.
Aber es reicht nicht, diese Auseinandersetzung nur auf juristischem Wege zu
führen. Wichtig ist die Präsenz - die zahlreiche Präsenz - von
Demokratinnen und Demokraten, die deutlich zeigen, dass Nazi-Aufmärsche von
den Menschen in unserem Land nicht geduldet werden - weder in Karlsruhe noch
anderswo. Und wichtig ist neben der Verhinderung von Aufmärschen die
Wachsamkeit gegenüber Fremdenfeindlichkeit im Alltag und die
Auseinandersetzung mit Jugendlichen (oder auch Erwachsenen), die sich von
rechtem Gedankengut angezogen fühlen.
Angemeldet wurde der Nazi-Aufmarsch unter dem Titel "Trotz § 130,
Mord bleibt Mord!". Das muss man klar beziehen auf die Regelung des §
130 StGB zur Volksverhetzung und den Todestag des Hitlerstellvertreters
Heß, der am 17.8.1987 im Kriegsverbrechergefängnis Spandau Selbstmord
begangen hat. Zwar will der Aufruf zum Aufmarsch das verschleiern, indem hier
von § 130 des Ordnungswidrigkeitsgesetzes - Stichwort: Verletzung der
Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen - Bezug genommen und ein paar
verquere Aussagen zu Arbeiterrechten und der Herrschaft des Geldes gemacht
werden.
Aber welche Zielrichtung der geplante Aufmarsch hat, wird spätestens
mit dem Motto "Her mit dem nationalen Sozialismus!" und der gruseligen
Liste der Unterstützer deutlich. Da tummeln sich karlsruher//netzwerk,
NS-Rastatt, JN-Karlsruhe, Hate-Crew Nordbaden, Freie Nationalisten aus Bruchsal
und andere Neonazis aus nah und fern und machen damit auch die bundesweite
Bedeutung des geplanten Aufmarsch in Karlsruhe, am Sitz des
Bundesverfassungsgerichts, deutlich.
Der Bedeutung Rudolf Hess als zentrale Symbolfigur der Neonaziszene widmet
der badenwürttembergische Verfassungsschutzbericht 2009 ein eigenes
Kapitel. In dem "Stellvertreter des Führers" sehen Neonazis eine
zur Heroisierung geeignete Person. Sie betreiben Märtyrerkult und bauen
Mythen auf. Der Selbstmord Hess wird faktenwidrig zum Mord umgedeutet. Die
Greueltaten der Nazis werden geleugnet.
Seit 2005 sind die "Rudolf-Heß-Gedenkmärsche" am
Begräbnisort Wunsiedel verboten. 2008 bestätigte das
Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz dieses auf der Grundlage des §
130 StGB ergangene Verbot. In Baden-Württemberg kam es im vergangenen Jahr
um den 17. August in verschiedenen Orten zu Farbschmierereien sowie Plakat- und
Transparentaktionen mit Heß-Bezug. Über der Autobahn A 5 bei Freiburg
wurden zwei Transparente mit den Aufschriften "Rudolf Hess wir gedenken
Dir" und "Rudolf Hess wir sind da" angebracht. Außerdem kam
es im vergangenen Jahr erstmals zu Flashmobs anlässlich des Hess-Todestages
- auch in Karlsruhe war dies ja angekündigt. Insgesamt zeigt die
Entwicklung der letzten Jahre aber, dass die Variante der Heß-Verehrung
mit mehreren dezentralen Ersatzveranstaltungen für die neonazistische Szene
immer unattraktiver wird. Und das ist gut so!
Für die Neonazis ist Karlsruhe ein wichtiger Aufmarschort, weil hier
das Bundesverfassungsgericht sitzt. Und der Gottesauer Platz bei der
Lutherkirche hat Anziehungskraft, weil hier 2006 eine Ausstellung zu
Neofaschismus in Deutschland stattfand, bei der u.a. deutlich wurde, dass der
Großvater des Neonazis Christian Worch NSDAP-Kreisleiter in Karlsruhe
war.
Für uns ist Karlsruhe eine weltoffene Stadt, in der
nationalsozialistisches Gedankengut kein Platz ist.
Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe hat im Oktober 2000 eine Resolution
verabschiedet "für Mitmenschlichkeit und Toleranz, gegen
Fremdenfeindlichkeit und Gewalt". Hierin heißt es:
"Karlsruhe ist eine weltoffene, tolerante und liberale Stadt. Seit
Jahrzehnten leben Bürgerinnen und Bürger unterschiedlicher
Nationalitäten friedlich miteinander. Sie pflegen gegenüber allen
Menschen, die in unserer Stadt eine neue Heimat suchen, sowie gegenüber
allen sozialen und gesellschaftlichen Bevölkerungsschichten einen
toleranten, verständnisvollen und fairen Umgang. Das darf sich nicht
ändern. Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz haben in unserer Stadt keinen
Platz. Zivilcourage gegen jegliches Unrecht sowie die Bereitschaft zur
Integration fremdsprachiger Mitbürgerinnen und Mitbürger halten wir in
Karlsruhe für selbstverständlich. Jedem einzelnen Bürger ist es
eine Verpflichtung, mit entschiedenem Mut gegen jegliches Auftreten von
Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einzutreten, wo auch immer es gefordert ist, in
der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen oder
Vereinen."
Der Verabschiedung dieser Resolution vorausgegangen war eine Messerattacke
eines polizeibekannten Neonazis bei der Aufführung eines antifaschistischen
Straßentheaterstückes auf dem Kronenplatz am 6. Mai 2000. Hinzu kamen
verschiedene Aktivitäten der Neonazi-Szene in Karlsruhe, die SPD und
GRÜNE zu Anfragen im Gemeinderat veranlassten und ein offensive Auftreten
von Rechtsradikalen auf der Bürgertribüne des Karlsruher Rathauses.
Die Fraktion baten daraufhin den Oberbürgermeister eine Resolution in den
Gemeinderat einzubringen, der OB folgte dieser Bitte und die Resolution wurde
einstimmig beschlossen. Das war ein richtiger Schritt, ein richtiges Signal.
Aber das Problem war damit natürlich noch lange nicht gelöst. Auch
in den Folgejahren haben die Aktivitäten der Neonazis die Stadtpolitik
beschäftigt: 2002 marschierten 400 Neonazis unter Polizeischutz durch
Karlsruhe. In den Folgejahren meldete die Karlsruher Kameradschaft
regelmäßig Aufmärsche an, die jedoch entweder nicht genehmigt
wurden oder - 2005 - durch Gegendemonstranten gestoppt wurden.
Der Karlsruher Gemeinderat reagierte im Januar 2006 angesichts eines
geplanten Neonazi- Aufmarschs erneut mit einer Resolution "für
Toleranz und Weltoffenheit - Rassisten und Neonazis unerwünscht" und
bekräftigte damit die Resolution des Jahres 2000. Auch 2006 wurde
erklärt:
"Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz haben in unserer Stadt keinen
Platz. ... Die Stadt Karlsruhe unterstützt alle Initiativen, die sich
für Toleranz, Liberalität und Offenheit einsetzen. Sie weiß sich
einig mit allen Kräften des gesellschaftlichen Lebens, die
rechtsextremistisches Gedankengut ablehnen."
Klar zum Ausdruck gebracht wurde auch die Unterstützung aller
friedlichen Aktivitäten, die sich dagegen richten, dass Karlsruhe zum
Aufmarschgebiet rassistischer Hetze wird. Der Schlusssatz lautete:
"In Karlsruhe sind Rassisten, sind Neonazis
unerwünscht."
2007 kam es am 8. Mai zu einer Mahnwache der Neo-Nazis auf dem Turmberg.
2008 sorgten die Bemühungen der NPD für Aufsehen, in Karlsruhe-Durlach
ein Partei- und Schulungszentrum zu errichten. NPD und Rastatter Kameradschaft
nutzen fast drei Wochen ein ehemaliges Hotel an der B3.
2008 war aber auch das Jahr, in dem die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte ihr 60- jähriges Jubiläum feierte. Dies nahm der
Karlsruher Gemeinderat zum Anlass, erneut eine Resolution zu verabschieden, in
der er auf die Verantwortung für Menschenrechte hinwies. Deutlich gemacht
wurde auch, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor dem
Hintergrund der Erfahrung gröbster Missachtung von Menschenrechten verfasst
wurde. Die Stadt Karlsruhe verpflichtete sich in der Resolution von 2008, sich
mit allen der Stadt zu Gebote stehenden Mittel gegen rassistische und sonstige
diskriminierende, die Menschenwürde missachtende Bestrebungen zu
stellen.
Last but not least haben sich die Karlsruher Gemeinderatsfraktionen auch zum
für heute angemeldeten Nazi-Aufmarsch positioniert. In einer gemeinsamen
Pressemitteilung haben sie sich gegen den geplanten Aufmarsch gewandt und dabei
auf die genannten Resolutionen verwiesen. Die Stadträtinnen und
Stadträte heben die Bedeutung der ehrenamtlich engagierten Gruppierungen
und insbesondere des Bündnis "Karlsruhe zeigt Flagge gegen
rechts" bei der Verhinderung von Nazi-Auftritten hervor.
Die städtische Politik hat sich also klar positioniert. Neonazis sind
in Karlsruhe unerwünscht. Und genau dies bringen wir alle durch unsere
Präsenz hier und heute zum Ausdruck.
Wir können stolz darauf sein, dass in den vergangenen Jahren gelungen
ist, Nazi-Aufmärsche in Karlsruhe und auch das geplante Nazi-Zentrum in der
Badener Straße in Durlach zu verhindern. Und wir werden auch weiterhin den
Ruf der Stadt als weltoffen, tolerant und liberal verteidigen und dafür
sorgen, dass rechtsradikales Gedankengut hier keine Plattform findet.
|