Der "blick nach rechts" analysiert die wahren Hintergründe der
Paragraf-130-Argumentation der Nazis sowie das abstruse Motto "Mord bleibt
Mord!":
blick nach rechts
2.8.2010
Verkappter Heß-Aufmarsch?
Angeblich richtet sie sich gegen Paragraf 130 des
Ordnungswidrigkeitengesetzes, der sich mit der Verletzung von Aufsichtspflichten
in Unternehmen beschäftigt. Tatsächlich dürfte es den
Veranstaltern aber um Paragraf 130 des Strafgesetzbuches gehen. Gestützt
auf dessen Absatz 4 waren in den letzten Jahren die jeweils im August in
Wunsiedel geplanten Aufmärsche von Neonazis aus Anlass des Todestages von
Rudolf Heß verboten worden. Die Bestimmung untersagt bei Versammlungen die
Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen
Gewalt- und Willkürherrschaft. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
hatte eine Verfassungsbeschwerde des Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger gegen
die 2005 beschlossene Ergänzung des Paragrafen im vorigen Herbst als
unbegründet zurückgewiesen.
Auch das Motto der angemeldeten Demonstration deutet darauf hin, dass es den
Neonazis sicherlich nicht um eine Bestimmung des Ordnungswidrigkeitengesetzes
geht: "Trotz § 130 - Mord bleibt Mord!" Seit Heß' Suizid im
August 1987 behaupten Neonazis, der ehemalige Hitler-Stellvertreter sei im
Kriegsverbrechergefängnis in Spandau ermordet worden.
Als Veranstalter der geplanten Demonstration, für die bei der
Stadtverwaltung 500 Teilnehmer angekündigt wurden, sind auf einer eigens
eingerichteten Internetseite die "Freien Kräfte Karlsruhe"
genannt. Unter diesem Label sind die "Autonomen Nationalisten" aus der
Region unterwegs. Einer der Redner soll der stellvertretende Bundesvorsitzende
der Jungen Nationaldemokraten (JN) Lars Gold sein, der auch den
baden-württembergischen JN-Landesverband leitet. Außerdem werden
nicht namentlich genannte Redner aus der Schweiz, aus Mecklenburg- Vorpommern,
aus Dortmund und aus der Region angekündigt. (ts)
http://www.bnr.de/content/verkappter-hess-aufmarsch-0
"indymedia" rekapituliert die Geschichte der
"Rudolf-Heß-Gedenkmärsche" sowie der Proteste gegen
Nazi-Aufmärsche in Karlsruhe und beleuchtet die Karlsruher Nazi-Szene:
indymedia
2.8.2010
[...]
Rudolf-Heß-Gedenkmarsch
Der Rudolf-Heß-Gedenkmarsch war eine Propagandaveranstaltung der
deutschen Neonazi-Szene mit internationaler Beteiligung, die seit 1988 jeweils
um den 17. August durchgeführt wurde. Anlass der Veranstaltung ist der
Todestag von Rudolf Heß, der von Rechtsextremisten als Märtyrer des
Nationalsozialismus angesehen wird. An den Demonstrationen, die zumeist an
seinem Begräbnisort Wunsiedel stattfanden, nahmen z.T. mehrere tausend
Neonazis aus ganz Europa teil.
Nazi-Aufmärsche in Karlsruhe
Die letzte gelungene Demonstration von Neonazis fand am 15. Juni 2002 statt,
als 400 Neonazis unter starken antifaschistischen Protest vor Hauptbahnhof
aufmarschierten. Im September und Dezember 2003 sowie im März 2004
scheiterte der Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch mit seinen
Anmeldeversuchen in Karlsruhe. Am 03. Dezember 2005 musste die Demonstration der
Neonazis zwar von der Stadt genehmigt werden, die Rechten konnten aber durch
antifaschistische Proteste auf ihrer Anreise von Rastatt aufgehalten werden, so
dass sie nicht mehr marschieren konnten. Im Dezember 2006 und Dezember 2007
versuchten regionale Neonazis in Ettlingen aufzumarschieren, ihr Anmeldeversuch
scheiterte aber. Am 08. Mai 2007 fand die letzte angemeldete rechte Kundgebung
in Karlsruhe statt, als sich ausgerechnet am "Tag der Befreiung" 50
Neonazis am Durlacher Turmberg versammelten.
Karlsruher Kameradschaft / Karlsruher Netzwerk
Das Karlsruher Netzwerk sieht sich in der Tradition der "Karlsruher
Kameradschaft", eine der bundesweit ältesten und bedeutendsten
Kameradschaften. Diese war nach jahrelanger Aktivität fast vollständig
von der Bildfläche verschwunden und wird nun zunehmend von einer jungen
Neonazigeneration ersetzt, die sich in ihrem Auftreten stark an den
"Autonomen Nationalisten" orientieren. Zwar erreichen sie im Bezug auf
ihre Aktivitäten bei weitem nicht die Stärke der ehemaligen Karlsruher
Kameradschaft, treten aber dennoch besonders gewalttätig bei
Demonstrationen und Angriffen auf Veranstaltungen in Baden Württemberg auf.
Bei einem Angriff auf TeilnehmerInnen einer Infoveranstaltung über
Rechtsextremismus in Aalen etwa waren Mitglieder des Karlsruher Netzwerkes wie
Kai Heller maßgeblich beteiligt. Bei dem Versuch der Etablierung eines NPD
Zentrums in Karlsruhe-Durlach tat sich das Karlsruher Netzwerk vor allem damit
hervor politische GegnerInnen einzuschüchtern.
Alljährlicher Heß-Kult
[...]
Seit im Jahr 2005 durch das Bundesverfassungsgericht der so genannte
"Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel verboten wurde, versucht die
Neonazi-Szene durch andere Aktionsformen ihren Heß-Kult
aufrechtzuerhalten. Für Aufsehen sorgte in der Vergangenheit vor allem die
"Rudolf Heß Tour", bei der 2007 ein LKW mit dem Konterfei
Heß' durch verschiedene Städte tourte.
[...]
Im vergangenen Jahr sollten dann in über 100 Städten so genannte
"Flashmobs" stattfinden, bei denen Neonazis schnell zusammen kommen
und versteinert stehen bleiben sollten, um am Ende die Schlussworte des
Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß während der Nürnberger
Prozesse zu verlesen. Tatsächlich fanden dann aber nur wenige dieser
Zusammenkünfte statt. Im Vogtland gedenken Neonazis ihres Märtyrers
seit Jahren durch ein Fußballturnier. Das so genannte
"Rudolf-Heß-Gedenkturnier" soll Ende August bereits zum 10. Mal
stattfinden.
http://de.indymedia.org/2010/08/287171.shtml