19.8.2009

Infos
Nazi-Flashmob ohne Erfolg

Nazis ließen Frust in Stupferich ab

Wie erst durch den Bericht in den Badischen Neuesten Nachrichten am 19. August bekannt wurde, kreuzten am 17. August gegen 20:45 Uhr in Stupferich in der Nähe des Rathauses 20 bis 30 Männer auf, die "Fahnen geschwenkt und rechte Parolen skandiert" hatten, die sich aber bevor die Polizei eintraf "zu Fuß und in Pkw in Richtung Kleinsteinbach" davon gemacht hatten.

Stupferich ist ca. 12 km vom Marktplatz Karlsruhe entfernt, hat 2700 Seelen und wurde Anfang der 1970er Jahre als Stadtteil nach Karlsruhe eingemeindet. Damit ist jedenfalls für Karlsruhe die Frage klar beantwortet, ob die Nazis überhaupt wollten.

Überlegungen zum Wollen und Können

  • In Karlsruhe und anderen baden-württembergischen Großstädten wie Mannheim und Freiburg sind Nazi-Auftritte durch eine kräftige Gegenmobilisierung verhindert worden.
  • Die Nazis hielten es - obwohl sie den gar nicht mögen - mit Karl Valentin: "Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut."
  • Der im Vorfeld innerhalb der Nazi-Szene geführte Streit über die Aktionsform Flashmob und die damit verbundene Ankündigung ist die eine Sache, dass aber eine dezentrale bundesweite Aktion als Alternative zu den verbotenen zentralen Aufmärschen in Wunsiedel oder anderswo für die Nazis attraktiv erscheinen mussten, liegt auf der Hand. Dass viele von denen nicht wissen, was Choreographie ist, muss sie ja nicht an einem Auftritt in vertrauter Manier mit Fahnen und Haßgebrüll hindern.
  • Für Karlsruhe sprechen überdies zwei weitere Gründe der Nazis, Flagge zu zeigen:
    1. Sitz des Bundesverfassungsgerichts, das für die o.g. Verbote zeichnet und
    2. als gescheitert anzusehende Einrichtung eines modernen "SA-Sturmlokals" in der Badener Str. 34 im Stadtteil Durlach, genannt "Nationales Zentrum" der NPD, mit eben jenen "freien Kameradschaften" als Stammgästen. Das ist vor allem der unermüdlichen Gegenwehr des AAKA und der eigens gebildeten Durlacher Initiative "Kein Platz für Nazis" zu verdanken.

Wieviele es gewesen sind von den Aktivisten der "freien Kameradschaften" und der NPD, die am 19./20. April 2008 in der Badener Straße "Führers Geburtstag" feiern wollten und nicht konnten, und die nun am 17. August 2009 vor dem Rathaus zu "Führer-Stellvertreters" Todestag auflaufen wollten, wissen wir nicht. Wenn man die Fruststrecke zur Ausweiche nach Stupferich in Rechnung stellt, wären es aber deutlich über 30 Personen gewesen.

Wie ist es woanders gelaufen?

Dazu hat stattweb.de eine Zusammenstellung der verfügbaren Berichte für Baden-Württemberg gemacht und will für updates sorgen, sobald weitere Berichte vorliegen.

Dem Netz ist zu entnehmen, dass in Karlsruhes Partnerstadt Halle AntifaschistInnen ebenso erfolgreich waren. Sie hatten eine Verbotsverfügung der Landesregierung von Sachsen-Anhalt für den Nazi-Flashmob im Rücken und "Wasserbomben" wie die Freiburger in Reserve. Dem Netz kann weiter entnommen werden, dass es in Dresden, Stralsund, Lübeck, Oldenburg ähnlich positiv mit der Gegenwehr lief, in Leipzig allerdings 80 Nazis ungestört auftreten konnten.

Für eine Gesamteinschätzung ist es noch zu früh. Drei allgemeine Dinge sind aber gewiss jetzt schon festzuhalten:

  • die demokratisch-antifaschistische Öffentlichkeit hat allen Grund, wachsam und aktionsbereit zu bleiben,
  • die Älteren stehen in der Verantwortung, ihre Kenntnisse und Erfahrungen im Kampf gegen Rechts an junge Menschen weiter zu geben, und
  • alle sind aufgerufen, in diesem Sinne organisiert in Initiativen, Verbänden und Parteien tätig zu bleiben bzw. zu werden.
Dietrich Schulze
Landessprecher VVN-BdA Baden-Württemberg
© Antifaschistisches Aktionsbündnis Karlsruhe