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20.10.2008 Infos
Das geplante Versammlungsgesetz in Baden-WürttembergNoch 2008 soll in Baden-Württemberg ein neues Versammlungsgesetz beschlossen werden. Nach Bayern wäre damit Baden-Württemberg das zweite Bundesland, das das Versammlungsrecht weiter einschräkt. Die VVN-BdA Baden-Württemberg analysierte und kritisierte den Regierungsentwurf vom 24.07.2008. VVN - Bund der Antifaschistinnen und 2. Oktober 2008 Stellungnahme und Überblick zum vorliegenden Regierungsentwurf eines Versammlungsgesetzes in Baden-WürttembergDie Landesregierung in Baden-Württemberg hat den Entwurf für ein neues Versammlungsgesetz vorgelegt, der sich eng an das umstrittene neue bayrische Gesetz anlehnt. Die Landesregierung gibt vor, mit diesem Gesetzentwurf das Versammlungsrecht vor dem "Missbrauch von Extremisten" zu schützen. Angeblich bedeute es eine "erhebliche Erleichterung für die Veranstalter und Behörden". Angesichts dieses Entwurfes, der in Wirklichkeit erhebliche Erschwernisse und Einschränkungen für die Veranstalter beinhaltet, muss es den demokratischen Kräften und Organisationen nun in Wirklichkeit darum gehen, das grundgesetzliche Recht auf Versammlungsfreiheit vor dem Missbrauch durch Innenminister und Regierungsmehrheit Behörden und Polizei zu schützen. Der vorliegende Entwurf atmet den Geist des Obrigkeitsstaates aus Kaisers Zeiten, der Gängelung und Überwachung der BürgerInnen und den Versuch, die Versammlungsfreiheit - Grundlage der freien Diskussion und Meinungsbildung in einem demokratischen Staat - zu beschneiden. Zur Erinnerung:Grundgesetz, Artikel 8(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis, friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. I. Ausdehnung des Versammlungsgesetzes auf nicht öffentliche Versammlungen bzw. jede menschliche BegegnungWährend das bisherige Gesetz nur öffentliche Versammlungen den gesetzlichen Regelungen unterwirft, definiert das neue Gesetz jede Begegnung von Menschen ("Zusammenkunft von mindestens zwei Personen" § 2,1) die "überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung" gerichtet ist, als Versammlung im Sinne des Gesetzes und unterstellt sie damit der behördlichen, polizeilichen und justitiellen Kontrolle. D. h. jede politische Diskussion, am Stammtisch, im Ehebett, im Büro oder in der Straßenbahn, unterliegt besonderer behördlicher Aufsicht. Zwar beziehen sich die meisten der Bestimmungen des Gesetzes weiterhin nur auf öffentliche Versammlungen, aber mit der ausdrücklichen Einbeziehung von nichtöffentlichen Versammlungen in das sogenannte "Uniformierungs- und Militanzverbot" § 7 und das "Störungsverbot" § 8 ist ein Anfang behördlichen Einflusses auf alle Zusammenkünfte, weit über die Gebote des Strafgesetzes hinaus und jenseits des Grundgesetzes gemacht. II. Einschneidende Verschärfungen für alle Versammlungen im Saal wie unter freiem Himmel
III. Verschärfungen für Versammlungen im Saal
Insgesamt erhalten Behörden und Polizei mit diesen neuen Bestimmungen ein breites Instrumentarium, Versammlungen im Saal zu erschweren, zu be- und auch verhindern oder auch nur die Veranstalter zu schikanieren und mit strafbewehrten Vorschriften einzuschüchtern. Insbesondere die Sammlung der persönlichen Daten von Leiter und OrdnerInnen, also aktiven Teilnehmern der Versammlung, bedeutet ein hohes Maß an behördlicher Einschüchterung, die in einer Demokratie nicht geduldet werden kann. IV. Verschärfungen für Versammlungen unter freiem Himmel
Alle diese Neuerungen erschweren offenkundig alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, also nicht nur, wie gerne vorgeschoben, Aufmärsche von Nazis. Im Gegenteil: Besonders ausgefeilt sind solche Bestimmungen, die gerade Protestaktionen gegen Naziaufmärsche erschweren und unter Strafandrohung stellen. V. Neuerungen zur Verhinderung faschistischer Betätigung?Dagegen findet sich in § 17 eine Bestimmung, die sich ausdrücklich gegen faschistische Versammlungen an Gedenkorten "der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft" bzw. an den Gedenktagen 27. Januar und 9. November richten, sofern "zu besorgen ist, dass durch diese Versammlung die Würde der Opfer beeinträchtigt wird." Das sind allerdings Orte und Tage, die bisher zumindest in Baden-Württemberg von Naziveranstaltern nicht wahrgenommen wurden. Gedenktage und -anlässe, an denen in der Vergangenheit tatsächlich Naziaufmärsche stattfanden oder versucht wurden, wie der 30. Januar, der 1. oder der 8. Mai sind im Gesetz nicht aufgeführt und nicht berücksichtigt. Es muss also auch in dieser positiven Bestimmung eine eher kosmetische Absicht vermutet werden. Wäre wirklich eine Beschränkung von Versammlungen beabsichtig, die die Würde der Nazi-Opfer beeinträchtigen, dann wäre ein generelles Verbot von Versammlungen mit rassistischem, diskriminierendem, gewaltverherrlichendem, kriegsbefürwortendem, faschistischem Inhalt angebracht. VI. FazitDieser Entwurf eines Versammlungsgesetzes wird weder dem Anliegen gerecht, faschistische Betätigung zu begrenzen, noch modernisiert, verbessert oder erleichtert er Versammlungen im Sinne des Grundgesetzes. Im Gegenteil: Dieses Versammlungsgesetz schränkt ein ohnehin schon beschränktes Grundrecht weiter ein, belegt Veranstalter mit bürokratischen Schikanen, unterwirft VersammlungsteilnehmerInnen zusätzlicher polizeilicher Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten. Er behindert Protest gegen Naziaufmärsche. Statt demokratische Betätigung, Diskussion und Meinungsbildung zu unterstützen stellt dieses Gesetz jeden Bürger, der bereit ist, sich öffentlich an den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu beteiligen, unter den misstrauischen Verdacht, ein Störer der öffentlichen Ordnung zu sein. Mit diesem Gesetz kann Demokratie nicht gelebt werden. Es erstickt sie! VVN-BdA Baden-Württemberg
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