2.5.2006
Infos
Reden zum 1. Mai 2006
Auszüge zum Thema Neofaschismus
Wir veröffentlichen hier Auszüge aus den Reden zum 1. Mai, in
denen auf das Thema Neofaschismus Bezug genommen wird.
Martin Spreng
DGB-Regionsvorsitzender
am 1. Mai 2006 in Karlsruhe
...
Ich frage mich jeden Tag, in was für einer Welt leben wir denn
eigentlich?
Wir erfahren, dass in Potsdam ein Deutscher lebensgefährlich
zusammengeschlagen wird, weil er dunkelhäutig ist, und Politiker setzten
ihre ganze Kraft dafür ein, zu diskutieren, ob das überhaupt -
eventuell - quasi-fremdenfeindlich war, und, dass es doch auch
hellhäutige, blauäugige schon gegeben habe, die zusammengeschlagen
wurden - und außerdem wäre ja überhaupt nichts bewiesen -
und Alkohol wäre ja auch im Spiel gewesen. ...
Verharmlosungen, übelster Art, denn dieser Fall war nur einer von
vielen. Solche Angriffe finden Tag für Tag statt.
Allein in Brandenburg recherchierte jetzt im April bis letzte Woche der
Verein "Opferperspektive Potsdam":
3. April Hennigsdorf:
"Ein 16-jähriger Jugendlicher wird von 2 Rechtsextremisten im Flur
seiner Schule geschlagen und getreten. Zahllose Schüler schauen zu und
greifen nicht ein."
7. April Rathenow:
"Gegen 23.55 Uhr wurden 3 linksorientierte Jugendliche von einer
größeren Gruppe Rechtsextremisten angegriffen."
8. April Potsdam:
"Zwei 15- und 16-jährige Jugendliche wurden gegen 22 Uhr von 4 Rechten
im Alter von 5-16 Jahren angegriffen und geschlagen. Auf dem Abmarsch riefen die
Rechten 'Heil Hitler'".
8. April, Rathenow:
"Gegen 1 Uhr wurde ein 20-jähriger Mann vor der Kreissparkasse auf
einer Gruppe von Mitgliedern der verbotenen Kameradschaft Sturm 27 tätlich
angegriffen. Das Opfer wurde von 4 Tätern derart zusammengeschlagen, dass
er ein Hämatom im Auge erlitt, das stationär behandelt werden
musste."
14. April, Wildau:
"3 Jugendliche wurden beim Osterfeuer von einer Gruppe von Rechten
angegriffen und verletzt."
14. April, Eichwalde:
"Eine Gruppe von 5 Jugendlichen wurde nach dem Osterfeuer in der Nähe
des Bahnhofs aus einer Gruppe von Rechten angegriffen."
18. April, Neuruppin:
"Ein 25-jähriger Asylbewerber aus Tschad wurde gegen 19-20 Uhr in
einem Bus von einem Rechten beschimpft, bespuckt und mit Schlägen
bedroht."
19. April, Rheinsberg:
"Ein 16-jähriger Jugendlicher wurde kurz nach Mitternacht von zwei 16-
und 20-jährigen Rechten mit der Faust geschlagen und mit den
Füßen getreten. Zudem wurde er aufgefordert, sich hinzulegen und in
den Bordstein zu beißen, was er jedoch verweigerte."
Aber die Neonazis sind kein Ostproblem.
Rechtsextreme Strukturen haben sich längst in der ganzen Bundesrepublik
etabliert. Wir haben hier in der Region ja auch genug Beispiele.
Ich bedanke mich für die Resolution des Karlsruher Gemeinderates, die
Stellung dagegen nimmt, und der Stadt, die gegen die Aufmärsche klagt.
Allerdings würde ich mir schon eine etwas andere Berichterstattung
über geplante Aufmärsche der Neonazis und Demonstrationen aufrechter
Bürger dagegen wünschen. Da werden im Vorfeld Ängste aufgebaut,
von gewalttätigen, drohenden Schlachten, links gegen rechts oder
umgekehrt. Ist das im Sinne unserer Demokratie?
...
Wolfgang Weber
DGB-Ortsverbandsvorsitzender
am 1. Mai 2006 in Ettlingen
...
Ich sprach von unserem Engagement für Toleranz, gegen Krieg und
Faschismus.
Hierzu muss leider vor Ort festgestellt werden:
-
Auch hier in Ettlingen haben wir es seit geraumer Zeit mit zunehmenden
faschistischen Aktivitäten zu tun.
-
Auch bei uns gibt es eine rechte Szene.
-
Auch in unserer Stadt tauchen Neonazis bei Empfängen, bei Ausstellungen
im Rathaus und bei antifaschistischen Veranstaltungen auf.
-
Auch in Ettlingen wird das Jugendhaus Specht mit Naziparolen beschmiert,
wird ein nationales Jugendzentrum gefordert.
-
Auch in unserer Stadt marschieren Jungrechte, nationale Parolen
grölend, durch unsere Straßen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
dies ist nicht nur eine widerliche Angelegenheit - nein, dies ist eine
Gefahr für unsere Demokratie und dies geht uns deshalb ALLE an. Wir
sollten deshalb auch gemeinsam, über alle ideologischen, Partei- und
konfessionellen Grenzen hinweg, hier den Anfängen wehren.
Es ist dabei wenig hilfreich, wenn die Presse in diesem Zusammenhang ein
Hochschaukeln zwischen links und rechts zu erkennen glaubt.
Es ist auch wenig hilfreich, wenn Demokraten, die sich aus Sorge um unser
demokratisches Gemeinwesen dieser Entwicklung entgegenstellen, von der Presse
dann als Linksaußen in eine bestimmte Ecke gedrängt werden
sollen.
Und es ist wenig hilfreich, einfach wegzuschauen und so tun zu wollen, als
habe man mit der ganzen Sache nichts zu tun und als könne einen diese
Entwicklung nicht einholen.
Pfarrer Martin Niemöller hat dazu einmal gesagt:
"Als sie die Kommunisten holten, sagte ich nichts - ich war ja
kein Kommunist.
Als sie Sozialdemokraten und Gewerkschafter einsperrten, habe ich
geschwiegen - ich war ja kein Sozialdemokrat und kein Gewerkschafter.
Als sie die Katholiken holten, habe ich nicht protestiert - ich war ja
kein Katholik.
Als sie mich holten, gab es niemanden mehr, der protestieren
konnte!"
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
lasst uns aus der Geschichte lernen, lasst uns deshalb gemeinsam, ob
bürgerlicher Demokrat oder Sozialdemokrat, Gewerkschafter, Grüner,
Kommunist, Parteiloser, Christ oder Naturfreund, dafür sorgen, dass sich
so etwas nie mehr wiederholen kann.
Es kann und darf in Zukunft nie wieder passieren, dass wir in Bezug auf die
faschistische Gefahr als Demokraten getrennt marschieren, um uns dann gemeinsam
in faschistischen Lagern und Gefängnissen wiederzufinden.
Und ich bin der Überzeugung, dass es nun auch hier in Ettlingen an der
Zeit ist, dass auch der Gemeinderat angesichts dieser Entwicklung Flagge zeigt
und erklärt:
Ettlingen ist eine offene und tolerante Stadt, wir wollen keine brauen
Hetzer in unserer Gemeinde, Neofaschisten haben in unserer Stadt nichts zu
suchen!
Kolleginnen und Kollegen,
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wir Gewerkschaften wollen ein offenes, ein tolerantes Europa. Deshalb treten
wir ein gegen jeglichen Faschismus, Rassismus und Militarismus.
...
|