17.3.2006
Infos
Bundesweite Demonstration gegen Berufsverbote
Samstag, 25.3.2006,
12 Uhr,
Karlsruhe Kronenplatz
Wir informieren hier über die am 25.3. in Karlsruhe stattfindende
bundesweite Demonstration gegen das Berufsverbot des Heidelberger
Realschullehrers Michael Csaszkóczy.
Dieses Berufsverbot wird mit Zweifeln an seiner Verfassungstreue wegen der
Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften
"AIHD" ("Antifaschistische Initiative Heidelberg")
begründet, ohne den Schimmer eines Beweises für die Zweifel vorlegen
zu können.
Faktisch richtet sich das Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczys
Zivilcourage und sein Engagement gegen Neo-/Faschismus.
Wir veröffentlichen hier die Demoaufrufe der GEW und anderer sowie
der AIHD.
Seit Anfang des Jahres 2004 wird dem Heidelberger Realschullehrer Michael
Csaszkóczy aus politischen Gründen die Einstellung in den
Schuldienst des Landes Baden-Württemberg verweigert. Im September 2005 hat
sich Hessen dieser Maßnahme angeschlossen und Csaszkóczy eine
bereits zugesagte Stelle verweigert.
Über mehr als 12 Jahre hinweg wurde Csaszkóczy vom
Verfassungsschutz überwacht. Für das Berufsverbot ausschlaggebend war
seine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, von der
er nicht bereit war, sich zu distanzieren. Damit wird die grundrechtswidrige
Berufsverbotspraxis der BRD aus den 70er Jahren wiederbelebt, die der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 1995 als Verstoß
gegen Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt hat. Wir
protestieren gegen die staatliche Bespitzelung und Einschüchterung, die
sich potentiell gegen alle emanzipatorischen und politisch unbequemen
Bestrebungen richtet. Berufsverbote verstoßen gegen die Menschenrechte
und schaffen ein Klima der politischen Einschüchterung.
Wir fordern die Einstellung und Rehabilitierung Michael Csaszkóczys
und die Abschaffung der gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote.
GEW Hessen,
GEW Baden-Württemberg,
Solidaritätskomitee gegen das Berufsverbot
und weitere Unterstützer.
Aufruf zur Demonstration gegen das Berufsverbot am 25.3.2006
Seit Mitte Dezember 2003 ist bekannt, dass gegen den Realschullehrer Michael
Csaszkóczy, der in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD)
aktiv ist, ein Berufsverbotsverfahren läuft. In einem Brief des
Oberschulamtes Karlsruhe wurde ihm mitgeteilt, dass Erkenntnisse des
Verfassungsschutzes Zweifel an seiner Bereitschaft aufkommen ließen,
jederzeit für die "freiheitliche, demokratische Grundordnung"
einzutreten. Die für 1. Februar 2004 vorgesehene Übernehme in den
Schuldienst wurde ausgesetzt, und bei einem "vertieften
Einstellungsgespräch" am 21. April 2004 wurde deutlich, dass die
Entscheidung des Oberschulamts im Grunde bereits gefallen ist, wobei in erster
Linie die von Michael nicht dementierte Zugehörigkeit zur AIHD
ausschlaggebend war. Nachdem ihm zunächst nur das Land
Baden-Württemberg die Einstellung als Lehrer verweigerte und das
Berufsverbot somit offiziell machte, zog im Jahr 2005 auch Hessen nach, wo
Michael schon eine schriftliche Einstellungszusage für die Übernahme
in das Beamtenverhältnis auf Probe vom staatlichen Schulamt erhalten
hatte. Die Argumentation lehnte sich hierbei an die des
baden-württembergischen Kultusministeriums an, und auch der
Verfassungsschutz, der Michael zwölf Jahre lang überwachte,
argumentierte in seinem Jahresbericht 2004 nach dem selben Muster.
Der Ursprung der Berufsverbote liegt im 1972 eingeführten
"Radikalenerlass", mit dessen Hilfe politisch aktive Menschen aus dem
öffentlichen Dienst ferngehalten und Gleichgesinnte eingeschüchtert
werden sollten. Ab Mitte der 80er Jahre wurde dieses Repressionsinstrument
nicht mehr in dieser Form angewendet, ohne dass jedoch die gesetzlichen
Grundlagen der Bundesländer gestrichen wurden; so sind sie auch im
"Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg" weiterhin verankert -
und zwar in einer Form, die weitgehend aus dem NS-Gesetz "zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 übernommen
wurde. Darin wurde beschlossen, dass Beamte auch dann entlassen werden
können, "wenn die nach vorliegendem Recht hierfür erforderlichen
Voraussetzungen nicht vorliegen." Des Weiteren regelte es, dass
"Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die
Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den
nationalen Staat eintreten, [...] aus dem Dienst entlassen werden
[können]." Die hier allzu offensichtlich erkennbaren
Kontinuitäten zum aktuellen Berufsverbotsverfahren verwundern kaum, wenn
man bedenkt, dass es von Zöglingen des früheren NS-Marinerichters
Filbinger (heute CDU) initiiert wurde. Der ehemalige
baden-württembergische Ministerpräsident wird von seiner Partei
"wegen seiner besonderen Verdienste" trotz seiner Vergangenheit als
Ehrenvorsitzender gehalten. Und so muss mit umso größerer
Entschiedenheit gegen dieses Verfahren vorgegangen werden, mit dem ein
Antifaschist von eben jenem schwarz-braunen Milieu überzogen wird.
Die Praxis der Berufsverbote unterscheidet sich grundlegend von anderen
staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber systemkritischen
AktivistInnen. Während bei anderen Formen politischer Verfolgung in der
Bundesrepublik den Betroffenen ein konkreter Verstoß gegen Gesetze
"nachgewiesen" werden muss, kommt bei den auf dem
"Radikalenerlass" basierenden Verfahren ausschließlich die
Zugehörigkeit zu einer politisch unliebsamen Gruppe zum Tragen. Damit
werden die politische Meinung und das daraus resultierende persönliche
Engagement an sich kriminalisiert, was die inoffizielle
(Wieder-)Einführung des "Gesinnungsverbrechens", wie es aus dem
Nationalsozialismus bekannt ist, bedeutet. Eine weitere Besonderheit der
Berufsverbote ist ihr vollständiges Losgelöstsein von den staatlichen
Strafverfolgungsbehörden, indem an Stelle eines Gerichts das Oberschulamt
das Urteil fällt. Grundlegende Informationen zu den einzelnen Fällen
kommen vom Innenministerium und dem diesem zuarbeitenden Landesamt für
Verfassungsschutz, das dadurch den Status einer Ermittlungsbehörde
erhält. De facto bedeutet das die Abkehr von der generellen
Unschuldsvermutung, da hier eine Umkehr der Beweislast stattfindet: Die
staatlichen Behörden müssen dem Betroffenen kein konkretes Vergehen
nachweisen, sondern es liegt an ihm selbst, seine Verfassungstreue unter Beweis
zu stellen.
Genau aus diesen Gründen ist Solidarität an dieser Stelle mehr
denn je gefragt, nämlich genau deshalb, weil der staatliche
Repressionsapparat einen Einzelnen stellvertretend für alle anderen
herausgreift und ihn konkret in seiner Existenzgrundlage bedroht.
Deshalb rufen wir zur Demonstration gegen das Berufsverbot gegen Michael
Csaszkóczy am 25. März 2006 in Karlsruhe auf!
Gegen Polizei- und Überwachungsstaat! Geheimdienste abschaffen!
Weg mit dem Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy!
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), Januar 2006
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